Was aber wird aus einem Fortbewegungsmittel, wenn es sich nicht bewegt, einfach nur rumsteht, irgendwo parkt? Für den Geschwindigkeitstheoretiker und -kritiker Paul Virilio bleibt dann vom Auto nicht mehr übrig als ein „Sofa mit vier oder fünf Plätzen“. Glaubt man jener Zahl, die Lucas Cejpek in seinem Fotoroman In geparkten Autos nennt („Im Schnitt ist jedes Auto 96 % seines Lebensalters geparkt.“, S. 4), ist es nur logisch und konsequent, das Auto endlich von seinem Geschwindigkeits-Ballast zu befreien, es als das zu nehmen, was es die meiste Zeit ist: ein im öffentlichen Raum herumstehendes Sofa. Das Auto als Auto, wie es am Buchrücken heißt, nicht als Transportmittel, sondern als Genußmittel.
Lucas Cejpek und Thomas Reinagl sind diesem Gedanken sowohl in Text als auch in Bild nachgegangen: die SW-Fotos auf der rechten Buchseite (jeweils zwei übereinander) zeigen parkende Autos: vorm Schwechater Flughafen, am noch leeren Naschmarkt, unter Sternen im Autokino, wo man sie fast nicht sieht, so hell strahlen die Leinwände, oder gar en miniature im Schaufenster des Spielwarenladens. Nicht selten richten beide Aufnahmen den Blick auf ein- und dasselbe Motiv, mit feinen Unterschieden: was oben noch unscharf ist, präsentiert sich auf dem Bild darunter gestochen scharf, einen Platz lernen wir von zwei entgegengesetzten Blickwinkeln kennen, oder wir werden mit einem Suchbild konfrontiert (auf welcher Abbildung fehlt ein Auto?). Reinagls Fotos verführen uns – ohne, daß wir es richtig merken – zum genauen Schauen.
Cejpeks Text ist nicht minder raffiniert, er verrät, was auf diesen so harmlos wirkenden Parkplätzen alles passieren könnte. Er beginnt mit einer Montage von Zeitungs- und Werbemeldungen, läuft aber schnell in Versatzstücke einer packenden Spionagegeschichte über: ein tödlicher Tag im Leben eines Agenten. Parkende Autos dienen als Übergabeorte von so geheimen Informationen, daß selbst die Leser nichts über sie erfahren. Ein (aus Sicherheitsgründen!) namenloser Informant (nur von seiner Freundin wissen wir, daß sie Ida heißt und mit ihrem Partner eine Leidenschaft für Kleinkaliberwaffen teilt), steht für alle Jerry Cottons dieser Welt.
In geparkten Autos ist so Wien-typisch wie der Film „Der dritte Mann“: er spielt locker mit Agenten-Klischees und macht die Wiener und Wienerinnen (sowie mögliche Besucher, denen dieses Buch ebenso empfohlen werden kann) gleichzeitig auf etwas aufmerksam, das bis dato unbeachtet war. Nach dem Kanalnetz ist es nun die Poesie der Parkplätze, die darauf wartet, von uns entdeckt zu werden.