#Sachbuch

Jimmy Berg: Von der Ringstrasse zur 72nd Street

Horst Jarka (Hg.)

// Rezension von Heinz Lunzer

Lang vergessen von den Literaturwissenschaftlern und sogar von Exilforschern war Jimmy Berg: Horst Jarka verdient Dank für die Wiederentdeckung des Autors, dessen junge Karriere in Wien von der Flucht vor den Nationalsozialisten unterbrochen wurde. In New York gelang ihm ein Neubeginn, der aber nicht in dem Ausmaß von ökonomischem Erfolg gekrönt war, als daß der Autor sich und seine Frau davon hätte ernähren können. Er nahm zum Erwerb die Stelle eines Radioredakteurs bei der Voice of America an und wurde so auf vermittelnder Ebene ein Förderer seiner emigrierten KünstlerkollegInnen.

In einer ausführlichen Einleitung (S. 1-39) stellt der Herausgeber den Autor vor, mit Texten, Zitaten und Bilddokumenten. Man wünscht sich nach der Lektüre, mehr zu wissen und hofft auf Briefe, Berichte der persönlichen Erfahrungen wie des Gedankenaustauschs mit den vielen AutorInnen, SchauspielerInnen, Regisseuren und Managern, mit denen Jimmy Berg in Europa wie in den USA zu tun hatte. Doch offenbar ließ das intensive Zusammenarbeiten mit Textern, Komponisten und ausführenden Künstlern wenig Raum (und auch geringe Notwendigkeit) für Briefe und Notizen, die uns heute (noch) genaueren Einblick in die Schlager- Kabarett- und Kleinbühnenwelt der dreißiger bis fünfziger Jahre geben könnten. (Nicht aus Indiskretion ist man neugierig, sondern weil es sich um eine Zeit handelt, die ihren aufrechten Charakteren ein besonderes Maß an Mut, Geschick und Ausdruckskraft abverlangt hat.)

Jimmy Berg (1909-1988) war mit 26 Jahren musikalischer Leiter – Komponist und Pianist, aber auch Textdichter – der Wiener Kleinkunstbühne ABC. Seine Texte waren frech und satirisch, die wienerische Lieblichkeit oft nur attraktive Oberfläche. Zu seinen Kollegen zählten Jura Soyfer, Walter Lindenbaum, Hans Weigel. Sein bekanntestes Lied: Sperrstund‘ is.

Die Flucht vor den Nationalsozialisten führte ihn in die USA. Die Einreise erleichterte ihm ein Bewunderer seiner Musik. Kabarett, Unterhaltung und politische wie soziale Anregung für die Emigranten waren die Aufgaben jener kleinen Theater und Wanderbühnen, in denen Jimmy Berg an der Ostküste wirkte, in Manhattan (Café Vienna, Lublo’s Palmgarden, Die Arche) ebenso wie in den Catskill Mountains.

Aus den vierziger und fünfziger Jahren stammen die meisten Texte der vorliegenden Anthologie, darunter viele Potpourris, die aus Anspielungen auf bekannte deutschsprachige Texte (Schlager, Operetten, Kabarett) und Musikzitaten aus Europa wie Amerika bestanden.

Das Literaturhaus in Wien, in dem soeben eine Ausstellung über Fritz Spielmann zu Ende geht, plant eine Ausstellung über Jimmy Berg, in der seine Werke zu sehen und zu hören sein werden. Horst Jarka sei gedankt für das Heben dieses Schatzes.

Horst Jarka (Hrsg.): Jimmy Berg: Von der Ringstrasse zur 72nd Street. Jimmy Bergs Chansons aus dem Wien der dreißiger Jahre und dem New Yorker Exil.
New York, Bern, etc: Peter Lang, 1996.
Austrian Culture, Band 17.
ISBN 978-0820426945.

Rezension vom 22.05.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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