JOLLY

Hansjörg Zauner

// Rezension von Wolfgang Straub

1989 debütierte Hansjörg Zauner mit zerschneiden das sprechen in der „edition neue texte“, nach laermleinen vor huefte gekehlt (1995) erschien nun das dritte Buch in der nach dem Rückzug Heimrad Bäckers beim Droschl-Verlag beheimateten renommierten Reihe. Aber solch kleine Jubiläen – nicht zuletzt steht im Dezember der 40. Geburtstag Zauners ins Haus – treffen sich wohl eher zufällig mit dem Erscheinen der mit JOLLY betitelten Sammlung von „Prosastücken“ aus den letzten fünf Jahren.

Die Auswahl und Zusammenstellung der Texte erfolgte mit kompositorischem Gespür, vom leichtfüßigen Auftakt („seitentext“) bis zu den Schlußworten („… abgebrochen worden …“) – sicher keine leichte Aufgabe für Thomas Eder, der die „edition“ betreut, zumal Zauners Schreiben der Abgeschlossenheit stets entgegenarbeitet. Die Form der Sammlung zeigt, wie kompakt dieses Schreibwerk ist (das würde auch der Rückblick auf das ganze Dezennium bestätigen). Es spricht sehr für die Kraft des Zaunerschen OEuvres, daß dieses mitunter monomanisch wirkende Sprachunternehmen niemals in Monotonie verfällt.

Zauners Prosa zeigt sich bildhafter als in bisherigen Arbeiten, was schon in der Tatsache wurzelt, daß Bildhaftigkeit ein Leitmotiv abgibt: Wahrnehmungsprozesse und Abbildungsvorgänge werden durch das Sprachwerk aus (vornehmlich) Hauptsatzreihen getrieben. Das geschieht niemals auf philosophisch-reflektierende Art, Zauner geht vielmehr in die Begriffe hinein, stellt sie dar und aus, dreht sie vor einem Spiegel hin und her („Spiegel“ ist einer der häufigsten Begriffe des Bandes: Die Bildhaftigkeit bestimmt die Wortauswahl, vieles dreht sich auch um Kamera und Perspektive.) In dieser rotierenden Selbstbespiegelung kann sich natürlich kein „richtiges“ Ich konstituieren, das Ich („ich so sagt man“) bleibt eine verschiebbare Einheit auf Zauners Sprachvektoren. Innen und außen changieren, Wahrnehmungsapparat und Außenwelt können sich blitzschnell austauschen und bilden die Negativform des anderen. Dabei wechseln die Wörter in den einfach strukturierten Sätzen häufig bloß ihre Plätze.

Das klingt ein wenig nach Fußball. Tatsächlich: Zauners Wortfeld ist nicht sehr umfangreich – wenn er auch einige Neologismen einstreut -, aber die Kombinationen sind umso vielseitiger, lustvoller und witziger (vom österreichischen Fußball hat er das offensichtlich nicht): „der freistoß fliegt aber die mauer hält durch. der wind verbläst den ball und der kopf geht darüber. […] auf der stelle löst sich das tor und das spiel beginnt sich zu drehen. der schuß ist gelenk und das tor ist gefallen.“

Mit seiner Aussagesatzmaschine schreibt der Dichter mit gleichbleibender, großer Exaktheit knapp an gewohnter Semantik vorbei. Was für sich genommen surreal oder wie Nonsensprosa wirken mag („das messer ist eine beobachterlücke und klebt im brei“), gewinnt innerhalb des Textganzen eine geradezu empirische Dimension der Selbst- und Fremdwahrnehmung. In der Dichte dieser Prosa werden neue Zusammenhänge generiert, die dem Verstehen von Identitätsbildung und Denkvorgängen dienlicher sein könnten als manche theorieschwere Abhandlung. Der Spaß, der in den Zeilen steckt, tut dem keinen Abbruch. Bei allem Fürwitz liefert sich Zauner aber auch den Schattenseiten der Sprache aus; man entkommt der Sprache nicht, ist ihr ausgeliefert, bei Zauner ätzt und stinkt sie mitunter („der gestank der sprache tritt auf.“). Und der Sprachschmutz ist hartnäckig, wie der Dichter in Frankreich bestätigt fand: „bis die sprache ganz zusammengekehrt ist dauert es ein paar jahre sagt man in barbès.“

JOLLY.
Prosastücke.
Graz, Wien: Droschl, 1999 (edition neue texte).
134 Seiten, gebunden.
ISBN 3-85420-522-8.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 20.10.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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