#Roman

Kurt Ostbahn. Kopfschuss

Günter Brödl

// Rezension von Helmuth Schönauer

Die Flut von Kriminalromanen läßt sich am schnellsten in zwei Grundtypen einteilen, in jene, in denen der Held den Fall „löst“, und andere, in denen der Held den Fall „auslöst“.

Selbstverständlich gehört die Figur des Musikers Kurt Ostbahn zu den „Auslösern“, zudem ist sie so schwerelos angelegt, daß sie nur als Kultfigur überleben kann. Wenn die Tourneen vorbei sind, gibt es während der Relax-Zeit verläßlich einen Mord. So wird Kopfschuss wie selbstverständlich als vierter Teil der geplanten Ostbahn-„Trilogie“ bezeichnet und weitere Fälle liegen schon in der Luft.

Der aktuelle Fall spielt sinnigerweise an Orten, die es mit dem Kreuz oder den Zahlen drei und fünf haben. Im burgenländischen Dreikreuz wird ein Opfer mit drei Schüssen in Fuß, Genital und Kopf hingerichtet, am gleichen Triple-Schuß sterben der Reihe nach Motorrad-Biker in Tres Cruces/Mexico, und in Wien Fünfhaus sucht Kurt Ostbahn verzweifelt seinen Trainer, was für ihn schlimmer ist als eine Hinrichtung. In erzähltechnischen Synchronschaltungen zwischen dem Cinemascope-Format aus Mexico und dem Fuzzi-Format aus „Burgenland heute“ erfährt der Leser sukzessive Begründungen für die scheinbar so unnotwendigen Hinrichtungen. Denn selbst der sinnloseste Mord ist auf logische Abläufe aufgebaut.

Alles, was Kurt Ostbahn berührt, wird zum Mythos. So erlebt Dreikreuz während der Recherchen den Aufstieg zu einem sakralen Ort, dessen Epizentrum, ein verfallender Gutshof, freilich von Stacheldraht umsponnen ist. Auf der anderen Seite legen während der Erkundungen Kurt Ostbahns die mexikanischen Orte an einer imaginären Eisenbahn ihren mystischen Hintergrund frei. Die erfundene Strecke heißt übrigens L’Oriente – Ostbahn.
So entstehen Zonen der Imagination, in denen sich das Verbrechen „einnisten muß“.

Wenn man Kriminalromane ernst nimmt, darf man ihre Lösung nicht verraten. Daher sei nur auf den Supergag hingewiesen, wonach ein Handy aus der Werbung Kurt Ostbahns für A-online maßgeblich zur Lösung des Falles beiträgt.
Es gibt keine Ratschläge, wie man als Leser einer Kultfigur gerecht werden kann. Tatsache ist, daß der Roman auf mehreren Ebenen den Anspruch des Lesers voll befriedigt. Spannung, Ironie, Medienkritik, Unterhaltung und Überlebensphilosophie werden voll ausgefahren. An besonders kniffligen Stellen gibt es Querverweise auf die früheren Ostbahn-Romane „Blutrausch“, „Hitzschlag“, „Platzangst“. So entsteht ein logischer, in sich abgeschlossener Ostbahn-Kosmos, in dem mit fortschreitender Lektüre nur mehr Eingeweihte verkehren.
In guter Manier mündet auch dieser „Ostbahn-Krimi“ wieder in einer kollektiven Meditation der Lesermassen. Der Autor Günter Brödl hat, während der Applaus anbricht, bereits ein geistiges Casting für die Verfilmung vorgenommen, empfehlenswerte CDs zur Lektüre beenden das Buch.

Günter Brödl Kurt Ostbahn. Kopfschuss
Kriminalroman.
Wien: Kremayr & Scheriau, 1999.
159 S.; geb.
ISBN 3-218-00646-5.

Rezension vom 28.05.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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