Die kollektive Erfahrung, 1938 vertrieben worden zu sein, die Akkulturation im akademischen Milieu der USA und generationsbedingte Lesesozialisation sind die naheliegenden Parameter, die sich aus den Zeitzeugenberichten abstrahieren lassen. Dennoch verblüfft, wie sich die literarischen und intellektuellen Vorbilder gleichen: Rilke, Schnitzler, Musil, Werfel, Zweig, vor allem aber Kafka (Sokel, Beck, Zohn) und Freud (Heller, Beck, Cohn). Die Befragten nehmen ebenso stark Bezug auf psychoanalytisch konnotierte Formen der Literaturbetrachtung, wie sie über „andere“ Traditionen – Judentum, Exilliteratur, Frauenliteratur – nachdenken oder sich als Übersetzer zu Dolmetschern zwischen den Kulturen machen. Es wird eindringlich vermittelt, welcher Wissenstransfer durch die Emigranten, besonders die Zweite Generation, in der Germanistik des Aufnahmelandes stattgefunden hat.
Die Interviews wurden mit detaillierten Werkverzeichnissen und einem Personenregister versehen, das sogar Namen in bibliografischen Angaben erfaßt, und sehr ausführlich kommentiert. Die Herausgeberin wollte das „kommentatorische Prinzip des Übergehens und Übersehens“ vermeiden, „welches den Lesern und Leserinnen allumfassende Kenntnisse bei gleichzeitigem Desinteresse an Hintergrundinformation unterstellt“. Ihr Buch ist mehr als ein aktueller Beitrag zum Thema Wissenschaftsemigration, es ist auch ein persönlich gehaltenes Dokument zur Geschichte des Berufsstands Germanist im Spiegel einer Generationserfahrung.