Wladislav, seit ihrer gemeinsamen Kindheit Freund seines Herrn, soll nun eigenen Grund und Boden besitzen. Seiner Identität beraubt, stürzt er in tiefe Verzweiflung, eilt – wie ein Obdachloser, der kein Zuhause, keine Heimat mehr hat – hinaus in die Felder, irrt umher, hadert mit seinem treulosen Freund und Herrn. Er unterliegt dann doch seinem Pflichtgefühl, fängt an, seine Felder erfolgreich zu bewirtschaften, befolgt letztendlich den Befehl seines Herrn.
Der Sog des Erzählstils wirkt, zieht in seinen Bann, macht Lust, sich auf jiddische Mystik einzulassen, um die ganze Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten ausloten zu können, denn: selbst wenn der Leser den Inhalt zu kennen scheint, kennt er ihn doch nicht.
Was hat es denn auf sich mit diesem kleinen, bösartigen Männchen, das eines Tages beim Grafen erscheint, ihm buchstäblich die Haare vom Kopf ißt, die Menschen in seinem Haus tyrannisiert und schließlich den Grafen Wratislav in den Ruin treibt, indem es in unermeßlich mörderischem Zorn auf seltsame Weise dessen Haus in Brand steckt?
Jener folgenreiche Brand leitet ein weiteres Kapitel der Erzählung ein: den Kampf zwischen Wratislav und Wladislav. Verarmt ist der Graf nun von seines ehemaligen Dieners Reichtum abhängig, den dieser doch so gerne mit ihm teilen möchte. Doch nein, der Herr verlangt Ungehöriges: er bittet seinen ehemaligen Knecht um eine „Anstellung“ als Diener.
Die Beziehung der beiden artet in groteske Spiegelgefechte aus: während Knechtsein für Wladislav Identität ist, lernt der Herr seine Rolle als Knecht „auswendig“. Spiegelgleich in Bewegung und Handlung stehen sie nun einander gegenüber, belauern haßerfüllt jeweils den anderen. Je authentischer sie in ihren Bewegungen werden, umso weiter entfernen sie sich innerlich voneinander. Gemeinsam verfallen sie auf die Lösung aus der Misere: gemeinsam werden sie in die Welt hinausziehen, keiner von beiden wird besitzen, sie werden einander gleich und somit wieder Freunde sein. Gemeinschaftlich verteilen sie Grund und Boden an die Bauern, das Haus Wladislavs wird zu Pflegeheim und Krankenhaus.
Das vierte und letzte Kapitel der Erzählung beschreibt die Rückkehr in eine utopische Welt: das Dorf ist abgeschottet, wie von unsichtbaren Mauern umgeben, selbst die Zeit hat aufgehört zu vergehen, kein Mensch altert mehr, keiner stirbt. Hundertjährige bekommen Kinder, keiner erkrankt.
Eine Idylle, ein winziges Himmelreich auf Erden. Für die Dorfbewohner scheint sich der Traum der expressionistischen Künstler erfüllt zu haben: glückhaft und beglückend sind sie zum Urzustand des menschlichen Seins zurückgekehrt, ruhen in sich selbst und in ihrer Verbindung zum Kosmischen. Als Kontrast schildert Kornfeld die ewigsuchenden Wissenschaftler, die Jahrhunderte später das Dorf analysieren, berechnen und überzeugt davon sind, jedes Phänomen kraft ihres Verstandes erklären und erforschen zu können.
Eine Textstelle aus der Endzeitgeschichte dieses wunderlichen Dorfes – denn selbst eine Utopie geht mal unter und zieht die ganze Welt mit sich in den Abgrund – liest sich, als würde Paul Kornfeld zum Seher, der über den zukünftigen Schmerz, die Verzweiflung, die unvorstellbaren Grausamkeiten schreibt, die Hitler und sein Regime dem Juden Paul Kornfeld und seinem Volk Jahre später antun würden:
„Sturm der Verzweiflung raste über das Land hin, Aufschrei um Aufschrei, unheimliches Stöhnen des Schmerzes entwälzte sich grausam in allen Winkeln dem Jammer der Menschen. […] und nur die Töne der Trauer, schrecklicher Gesang, aus ihrem Versteck hervorquellend und einander begegnend, miteinander sich verschlingend, schrecklicher Chor […] Tag um Tag verging, immer neu blieb der Schmerz und die Trauer behielt ihre schreckliche Kraft. Keines Herz ward beruhigt, solang es noch lebte […].“ (S. 127)