Diejenigen, die sich schon bisher mit der Leseforschung in Österreich befaßt haben, werden sich über so manche Ergebnisse der Untersuchung nicht wundern. Bewunderswert allerdings, wie differenziert Böck argumentiert, wie sie den einzelnen Themenkomplexen neue Facetten abringt. Das Buch versucht so nüchtern wie möglich zu sein, es verbietet sich jede Aufregung. Es scheut sich, in den Chor derjenigen einzustimmen, die das Abendland untergehen und ein Heer von Analphabeten aufmarschieren sehen. Umgekehrt verkündigt Böck auch keine Frohbotschaft, daß „alles in Ordnung sei“ und eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung zu beobachten wäre. Ihre Botschaft: Vieles ist in Veränderung begriffen. Die Lesekompetenz steigt, die Tageszeitungen können ihre Anteile halten, die Zeitschriften haben zugelegt. Die Bedeutung des Buches sinkt, wobei sich eine Polarisierungstendenz ergibt: Die Vielleser von einst lesen auch heute noch viel, während die Leselust der Wenigleser gesunken ist. Computernutzer sind – für manche eine Überraschung – Bücherleser. Das selbstzweckhafte Lesen verliert an Bedeutung. Böck bestätigt alle bisherigen Untersuchungen in der Top-Plazierung der LeserInnen: Sie sind eine aktive, engagierte, vielseitig interessierte Peergroup, die auch die Neuen Medien überdurchschnittlich nutzt.
Böck baut ihr Buch auf einer Befragung von 2000 ÖsterreicherInnen auf und setzt damit eine Untersuchung aus dem Jahr 1987 fort, die Angela Fritz ebenfalls am Wiener Institut für Publizistik angestellt hat. Dadurch können Daten über einen längeren Zeitraum verglichen und die Folgenwirkungen des Medienwandels studiert werden. Personalcomputer und Internet haben das Leseverhalten verändert. Erstmals wird in einer wissenschaftlichen Untersuchung die Rolle der Bibliotheken beim Bucherwerb und ihr Beitrag zum Leseförderung in Österreich untersucht.