lichtstunden von Paul Divjak beginnt mit vielen Traumsequenzen. Die Träume müssen aber nicht dazu herhalten, etwas zu erklären, sie werden nicht tiefenpsychologisch gedeutet, sondern Träumen heißt vielmehr eine Art Theaterwelt oder ein Filmstudio zu betreten. Hier hat man unbeschränkte Möglichkeiten, man ist Hauptdarsteller auf vielen Bühnen und sein eigener Regisseur zugleich. Schwerelos, mit schnellen Schnitten und überraschenden Übergängen wechseln die Szenen, alles ist möglich, nichts ist zu teuer für die Ausstattung, kein Special Effekt, den man nicht ausprobieren könnte, obwohl die Miniaturen von Divjak letztendlich angenehm unspektakulär verlaufen. Zu Beginn ist in diesem kleinen Kopfkino die Stimmung so angenehm, dass sogar Alpträume ihren Schrecken verlieren. Die Szenen haben etwas sommmerlich Unbeschwertes, eben lichtstundenmäßiges. Frauen kommen vor (eine Kimberly), Liebesgeschichten bahnen sich an, Einzelheiten aus der Kinderheit drängen sich vor, Orte öffnen sich und schließen sich wieder, alles ist offen für ein ungebundenes Schlendern durch Gedanken-, Erinnerungs- und Traumräume. Manchmal fühlt man sich beim Lesen wie in eine behütete Kindheit zurückversetzt, man liegt schon im Bett, die Eltern sind noch wach: „die türe ist einen spaltbreit offengeblieben. ein wenig licht dringt aus dem flur ins zimmer.“ Später gibt es auch Krisen zu bewältigen für das männliche Ich: „der magen aggregat, das hirn gefängnis, bist du dir selbst eine zumutung.“
Paul Divjak ist auch Filme- und Musikvideomacher sowie bildender Künstler, was man seinen Texten deutlich anmerkt, so plastisch gedacht und anschaulich geschrieben sind sie. lichtstunden ist Divjaks zweites Buch. Ebenfals bei der edition selene ist im Vorjahr sein Erstling „eisenbirne“ erschienen, der ganz ähnlich eine männliche Figur um sich selbst kreisen lässt. Mehr noch hat sich damals alles im Kopf abgespielt, stärker waren die Selbstzweifel. „eisenbirne“, das ist die Beschreibung eines Umbruchs. Wie sich ein junger Mann, getrieben vom Wunsch nach Leichtigkeit, immer wieder gebremst durch seine überhohen Ansprüche, die mitunter auch zu psychosomatischen Reaktionen führen, zwischen Aufbruch und Rückzug hin und her bewegt.
lichtstunden erzählt entspannter. Es finden sich Textpassagen, die im Grunde auf Vertonung warten, so „Blumfeld“-artig klingen sie: „die tage vergehen. mit büchern und im abseits. in räumen der vergangenheit und der ideen.“ Ein großer Teil ist in der zweiten Person geschrieben, was einen beim Lesen schön in den Text hineinzieht: „du besitzt zwei wohnungen und sperrst dich aus beiden aus. du ärgerst dich, denn niemand hat einen zweitschlüssel. jetzt erst merkst du, wie leicht sich die türen von aussen öffnen lassen. wie gut! und: wie schlecht!“
Über weite Strecken kann man lichtstunden wie Peter Handkes Theaterszenenanweisung „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ lesen. Als eine Auflistung von Möglichkeiten, zu denen man vieles assoziieren kann in seinem eigenen kleinen Kopftheater. Vielleicht sollte Paul Divjak mal ein Theaterstück schreiben.