Diesmal steht allerdings mit der 39jährigen Lisa Liebich eine kinderlose Volksschullehrerin auf der Bühne eines Alltagstheaters – als Hintergrund eine austauschbare ländliche Kulisse, die in Form einer sich wiederholenden Serie von Fotografien den Text begleitet. Die Bildkommentare sind handschriftlich und widmen sich in monotoner Manier dem täglichen (Nicht-)Auftauchen und Verschwinden des Briefträgers. Die topografischen Angaben sind in den ersten beiden Folgen auf Abkürzungen wie B., G. oder M. reduziert.
Lisas Kindheit, Jugend und nicht zuletzt auch Erwachsensein ist von der Präsenz der Mutter, der Besitzerin einer Boutique, dominiert. Der beklemmenden Atmosphäre im Siedlungshaus ihrer Eltern entflieht sie trotzdem nur halbherzig. Als alleinlebende Lehrerin fortgeschrittenen Alters, deren wenige Affären von Belanglosigkeit und Mangel an Leidenschaft geprägt sind, kriecht sie doch immer wieder in den erdrückenden Schoß ihrer Eltern zurück.
Das Einerlei findet eine Unterbrechung durch Lisas Schwärmerei für den Arzt Dr. Adrian. Ihr Objekt der Begierde bleibt ebenso unerreicht wie ihre Bemühungen um die Aktion „Schöneres Umland“ unbedankt. Ein weiteres Ventil bietet sich durch Lisas Teilnahme an einem Literatur-Fernkurs. Ähnlich den Fotografien und den abgebildeten Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften erwirken die mittels Schreibmaschinenschrift hervorgehobenen Aufsätze Lisas eine optische Struktur. Aber auch die poetische Dimension dieser Schreibübungen setzt sich vom ansonsten nüchtern-protokollartigen Sprachduktus ab.
Die dritte Folge spielt in New York, wo Lisa vier Wochen ihrer Sommerferien verbringt. Der Bildteil dokumentiert die Abfolge von der 14. bis zur 46. Straße. Der Aufenthalt in der fremden Stadt verändert Lisa insofern, als sie über ihre Vergangenheit zu reflektieren beginnt. Mit der Entscheidung, sich bis auf weiteres dem gewohnten Terminkalender zu entziehen und zu den Niagarafällen zu reisen, und einer Fotografie vom Ocean Boulevard bei Sonnenuntergang endet Lisa’s Liebe. Die Erzählerin entläßt uns also wieder – ähnlich wie in Verführungen – mit der Ungewißheit, was nun eigentlich mit diesem Torso eines Lebens, eines Menschen weiter passieren wird.
Sicher ist nur, daß Lisas Liebe bis auf weiteres eine von der Realität zurückgestoßene Illusion / Forderung bleibt.
Marlene Streeruwitz spielt sich hier in gekonnter, aber auch radikaler Weise mit einem Genre, das den Literaturmarkt dominiert. Mit dem Ergebnis, daß die zum Prinzip erhobene Trivialität der Heftchenromane in ihrer Prosa zu einem beängstigenden Faktum wird.