Ganz wie in den Handlungsmustern melodramatischer Genres kommt es zu einer schicksalhaften Wendung in Gestalt eines Mannes. Dieser allerdings nur kurz strahlende Held heißt Siegfried, ist Tierarzt, Deutscher und der überzeugteste Nazi im ganzen Ort. Siegfried hat es auf die von zwiespältigen Gefühlen geplagte Viktoria abgesehen und bekommt sie letztendlich, weil er sie schwängert und somit in eine Zwangslage versetzt. Die beiden heiraten, Zwillinge werden geboren, Österreich schließt sich an NS-Deutschland an. Bei einem Aufenthalt in Wien gerät Viktoria irrtümlicherweise in Haft, weil sie für eine Jüdin gehalten wird; bis der Irrtum aufgeklärt ist, verbringt sie einige Stunden in Gefangenschaft und begegnet dort einer alten jüdischen Frau, die ihr ein Tagebuch anvertraut. Die Frau erzählt von ihrem Sohn, der seine jüdische Herkunft verleugnet, und den sie – nach einer mythologischen Figur – Machalan nennt.
Konfrontiert mit dem NS-Regime verhält sich Viktoria so, wie es heute, aus kritischer Sicht, „richtig“ erscheint. Die übelsten Erscheinungsweisen nationalsozialistischer Gesinnung repräsentieren ausschließlich Männer; Frauen sind tendenziell Opfer, Männer die Täter (als Patriarchen wie als Nationalsozialisten) – mit dieser Konstellation übernimmt die Autorin zugleich ein Stereotyp der NS-Aufarbeitungsliteratur von Frauen. Viktoria, die von Siegfried in der Ehe brutal unterdrückt wird, solidarisiert sich instinktiv mit den Verfolgten und zeigt dies auch öffentlich. Der Fanatiker Siegfried fühlt sich durch Viktorias offensichtliche Weigerung, eine „deutsche Frau“ zu sein, brüskiert; sie kann sich in seinen Augen nicht als Mutter bewähren, weil sie die Schwangerschaft ursprünglich hatte abbrechen wollen. Er entführt die Zwillinge und vertraut sie seiner ebenfalls regimetreuen Schwester und deren Mann an. Die Rettung zumindest eines Kindes gelingt Viktoria schließlich mithilfe jenes Tagebuchs, das ihr die alte Frau damals vor ihrer Deportation anvertraut hatte.
Das Konstruierte an dieser Geschichte bleibt in gröbsten inhaltlichen und erzähltechnischen Ungereimtheiten präsent, ohne daß dies als Teil des ästhetischen Programms – also beabsichtigt – erschiene. Die Symbolik, die die Autorin mit dem mythologischen Hintergrund anreißt (Machalan, der den Menschen die Farben bringt), läuft ins Leere, weil sie in Bezug auf das Gesamtkonzept nicht wirklich durchdacht wirkt. Ein poetischer Funke, welcher Art auch immer, zündet dabei nicht, von der Vermittlung eines Informations- oder Erkenntniswertes, den man sich von einem Buch zum Thema NS-Vergangenheit erwarten könnte, ganz zu schweigen. Anstatt nämlich den Mechanismus von Klischee und Gegenklischee zu durchbrechen, diese hinsichtlich ihrer Funktion zu hinterfragen oder wenigstens glaubhaft zu exemplifizieren, beschränkt sich die Autorin auf deren ebenso oberflächliche Reproduktion. Ein Beispiel ist die bereits angesprochene und – wie die historischen Fakten zeigen – unhaltbare Frau=Opfer/Mann=Täter-Zuordnung, die sich nicht nur in den Hauptfiguren manifestiert; ein weiteres Beispiel ist der naive Umkehrreflex in Bezug auf negative Vorurteile: es darf schließlich nicht notwendig sein, moralische Überlegenheit der Opfer des Nationalsozialismus als Argument einzubringen, um das Unrecht, das man ihnen angetan hat, als solches zu identifizieren – diese Verbrechen sind nicht deswegen Verbrechen, weil die Opfer gute Menschen waren.
Für das Buch spricht aber, daß die Autorin sich damit der Erinnerung an die NS-Zeit immerhin stellt und auf ihre Weise gegen den unverändert herrschenden Mangel an kritischer Geschichtsaufarbeitung in Österreich angeht.