#Roman

Mausi oder das Leben ist ungerecht

Elfriede Hammerl

// Rezension von Sabine Dengscherz

Das Leben ist manchmal hart. Und anstrengend. Und ungerecht. Zum Beispiel wenn man als alleinerziehende Mutter einer nicht eben musterhaften Dreizehnjährigen auch noch die eigene, unglücklich verliebte Schwester am Hals hat und einen Vater, der in seinen alten Tagen immer noch den Casanova spielen muss. Selbstredend halten sich alle für unentbehrlich und ganz nebenbei für den Mittelpunkt der Welt, was sich unter anderem darin äußert, dass man möglichst rund um die Uhr für sie da sein soll, als verständnisvolle Zuhörerin vulgo Seelenklo sowie als Unterstützung in den kleinen Dingen des Lebens, z.B. Kochen, Waschen, Bügeln, Putzen etc.

Elfriede Hammerl schildert in ihrem Roman Mausi oder Das Leben ist ungerecht den ganz normalen Alltag einer berufstätigen Power-Hausfrau, der an den ganz normalen Wahnsinn grenzt, spätestens als Mausi in der Familie auftaucht. Mausi hat weder etwas mit österreichischen Baumeistersgattinnen noch mit bemalten Milka-Kühen am Wiener Gürtel zu tun, sondern ist eine hässliche Plüschmaus von stattlicher Größe, die von sich behauptet, eine verwunschene Prinzessin zu sein. Ja, Mausi kann sprechen. Und sogar mit besonderer Eloquenz, wenn es darum geht, Befehle zu erteilen.

Nach angeblich dreihundertjährigem Dornröschenschlaf erwacht sie nun in einer biederen Reihenhaussiedlung am Stadtrand von Wien, wo man es weder gewöhnt ist, Dienstboten zu haben, noch solche zu spielen – außer für die eigene Familie, und zu der gehört Mausi auch binnen kürzester Zeit. Vom ungeliebten, nervtötenden Plüschmonster wandelt sie sich allmählich zur Freundin, Schwester, Vertrauten, deren Meinung man zu schätzen beginnt, und sie hält mit ihren Ansichten auch nicht an sich, nicht zuletzt wenn es um diverse Liebesbeziehungen geht: die der Schwester mit einem verheirateten Mann, auf dessen Scheidung sie seit Jahren wartet, die des Vaters mit wechselnden Damen, in letzter Zeit aber relativ monogam mit einer gewissen Ilse, und die der Ich-Erzälerin mit einem Mann, der genau den Typ verkörpert, von dem sie eigentlich genug haben wollte.

Eine Familie wie aus dem Bilderbuch … oder wie von Hera Lind erschaffen. Dazu kommt die Wohnsituation. Die Ich-Erzählerin / Allein-Erzieherin / Allein-Verdienerin arbeitet in einer Real-Kanzlei und hat so tagtäglich die Objekte ihrer Träume vor Augen – kleine bis mittlere Jugendstilvillen in Hietzing, Döbling oder ähnlich ansprechender Lage, umgeben von schattigen Gärten mit altem Baumbestand – während sie sich in besagter Reihenhaussiedlung mit kleinkarierten Nachbarn herumärgern muss, gleichermaßen weitab von den Vorzügen des Stadtlebens wie von beschaulich ländlicher Ruhe.

Elfriede Hammerl hat aus einer Unmenge alltäglicher Ärgernisse und kleiner Missgeschicke ein dichtes Netz des Banalen geflochten, das die märchenhaften Elemente des Romans zuverlässig davor bewahrt in den Kitsch abzugleiten, zumal sie auch sprachlich stets ironische Distanz bewahrt. Die verwunschene Prinzessin im Reihenhaus – ein wunderbares Bild des Grotesken. Und es steht nicht im Widerspruch dazu, dass Mausi schließlich ihre Bestimmung erfüllt – nicht ganz so wie im Märchen, versteht sich – und der Roman ein Happy End findet, das Hollywood alle Ehre machen würde.
Aber Vorsicht: dies ist wieder ein Stück Märchen, auch wenn wir keineswegs Zeuge übernatürlicher Begebenheiten werden … nur: wenn der Erzählerin am Ende ihr Zynismus abhanden kommt, kann es doch nicht mit rechten Dingen zugehen …
Sicher ist nur dies: der Roman ist eine unterhaltsame Urlaubslektüre und hat ganz offensichtlich das Zeug zum Bestseller.

Elfriede Hammerl Mausi oder das Leben ist ungerecht
Roman.
Wien, Frankfurt am Main: Deuticke, 2002.
396 S.; geb.
ISBN 3-216-30619-4.

Rezension vom 31.07.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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