Thomas Bernhard hat, soweit man den Selbstzeugnissen eines Übertreibungskünstlers Wahrheit schenken darf, Preisvergaben gehasst. Und doch ist er immer den Verlockungen des Preisgeldes erlegen. „Aber so sehr ich auch von dem Gedanken, in das Ministerium hineinzugehen und mir den Kleinen Staatspreis abholen zu müssen, gewürgt worden bin, es rettete mich doch immer die Tatsache, daß auch dieser Kleine Staatspreis mit einer Geldsumme verbunden war, mit der Summe von fünfundzwanzigtausend Schilling damals, die ich, der ich über alle meine Köpfe verschuldet gewesen war, dringend gebraucht habe.“
Zudem boten ihm die Preisverleihungsfeiern dankbare Gelegenheiten, Tiraden gegen Österreich, gegen die Politik, gegen Gott und die Welt anzustimmen: „Mit der Klarheit nimmt die Kälte zu.“, sagte er bei der Ansprache zur Verleihung des Bremer Literaturpreises. Oder anlässlich des Kleinen Österreichischen Staatspreises den vermutlich meistzitierten Bernhard-Satz: „Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt.“ Bernhard über die Reaktion von Kulturminister Piffl-Perčević auf seine Preisrede: „Ich war mit meinem Text noch nicht zuende gekommen, da war der Minister mit hochrotem Gesicht aufgesprungen und auf mich zugerannt und hatte mir irgendein mir unverständliches Schimpfwort an den Kopf geworfen. In höchster Erregung stand er vor mir und bedrohte mich, ja, er ging mit vor Wut erhobener Hand auf mich zu, machte darauf eine abrupte Kehrtwendung und verließ den Saal.“
Jedenfalls führte der Staatspreis-Skandal dazu, dass die Industriellenvereinigung die wenige Wochen später geplante Feier zur Übergabe des Wildgans-Preises einfach absagte: „Man schickte mir, ohne jede weitere Mitteilung über Wieso und Warum wie allen anderen zuerst Eingeladenen auch, diese Ausladung und schickte mir in einer schäbigen Drucksachenrolle mit der gewöhnlichen Post die Preisurkunde zu, ebenfalls kommentarlos. Zum Glück hatten sie mir genauso kommentarlos auch die fünfundzwanzigtausend Schilling überwiesen, eine Summe, die, wie ich glaube, für diese ganze, niederträchtige Unverschämtheit viel zu niedrig gewesen ist.“
Dass Minister auch weniger emotionell reagieren können, demonstrierte Ministerin Firnberg anlässlich der Vergabe des Grillparzerpreises. Während der Zeremonie schnarchte sie ihr leises „Ministerschnarchen“.
Der liebste Preis war Bernhard der Julius-Campe-Preis, der wurde nämlich ohne Zeremoniell vergeben, Bernhard brauchte den Scheck über 5000 DM nur im Hamburger Verlagshaus von Hoffmann und Campe abzuholen. Zurück in Wien, investierte Bernhard das Preisgeld in den Kauf eines weiß lackierten, mit rotem Leder gepolsterten Triumph Herald. Wenige Wochen später, Bernhard hielt sich in Jugoslawien auf, hatte eben das Manuskript von „Amras“ fertig gestellt, ist der Wagen nach einem Unfall Schrott.
Mit dem Preisgeld für den Bremer Literaturpreis (10.000 DM) zahlte er die erste Rate für den Kauf seines Obernathaler Bauernhauses: „Es gab elf oder zwölf Räume zu besichtigen, alle in völlig verwahrlostem Zustand und der Geruch von Hunderten, wenn nicht, wie ich dachte, von Tausenden vertrockneten alten Mäusen und Ratten war in der Luft. Alle Fußböden waren durchgemorscht, durchgefault und die meisten Fensterstöcke waren von Wind und Wetter herausgerissen.“ Mit dem Preisgeld des Wildgans-Preises kann er zumindest einige Fenster erneuern lassen.
Es ist schön, 20 Jahre nach dem Tod Bernhards „Neues“ von ihm lesen zu können. Bernhard hatte, so Raimund Fellinger im hilfreichen Nachwort, das Manuskript bereits 1980 geschrieben und für das Frühjahr 1989 zur Veröffentlichung vorgesehen. Es wäre falsch, Meine Preise an den großen Prosawerken Bernhards messen zu wollen, ebenso falsch wäre, es als anekdotisches Amüsement abzutun. Das Buch hat seine Qualitäten. Es zeigt Bernhard nicht als verbitterten, Galle spuckenden Schriftsteller, es zeigt ihn auch ohne seine oft unerträglich penetrant zur Schau gestellte Eitelkeit und Überheblichkeit, sondern – und das macht das Buch lesenswert – als erstaunlich selbstironischen Menschen und launigen Erzähler. Und es wird einem bei der Lektüre des schmalen Buches schmerzlich bewusst, dass – angesichts der Konformität und des Anpassungswillens eines guten Teils der heutigen Autorenschaft – so einer wie Thomas Bernhard fehlt. Dass so einer dem heutigen Literaturbetrieb gut täte, weil er ihm viel entgegenzusetzen hätte.