#Essay

Mexikanisches Triptychon

Leopold Federmair

// Rezension von Peter Stuiber

Leopold Federmair, Jahrgang 1957, ist Schriftsteller und Übersetzer (aus dem Italienischen, Französischen und Spanischen). Beide „Berufe“ sind bei ihm untrennbar miteinander verbunden: Ohne die Übersetzertätigkeit gäbe es seine Art der Literatur nicht. Und seine Übersetzungen sieht der Oberösterreicher wiederum als eigenständige literarische Leistungen.

In Federmairs Mexikanischem Triptychon geht es um das Handwerk des Literaten, oder um es allgemeiner auszudrücken: um das Eigene und das Fremde. Letzteres übt auf den Autor stets eine magische Anziehungskraft aus. Womit wir schon bei einem Topos der (österreichischen) Literatur sind: demjenigen der Fremdheit der eigenen Heimat bzw. der Vertrautheit der Fremde. In seinen drei vorliegenden Essays huldigt Federmair Mexiko, das er als Reisender und Übersetzer kennen gelernt hat.

Im „Land der Schriftsteller“ zieht es ihn natürlich zu den Literaten, die – anders als in Europa – zwar in Konkurrenz zueinander stehen, denen Intrige jedoch fremd zu sein scheint. Federmair schildert in seinem ersten Essay u.a. die Begegnung mit dem altehrwürdigen Erzähler Juan José Arreola, der von Borges einst mit einem einzigen Wort charakterisiert wurde: Freiheit. „Freiheit gegenüber dem eigenen Schaffen, gegenüber Ruhm, Preisen, Übersetzungen in fremde Sprachen. Nicht Gleichgültigkeit, aber doch eine gewisse Loslösung.“ (S. 31) Sich selbst bezeichnet Arreola im Gespräch als „spärlichen Schriftsteller“, schließlich habe er nur dann geschrieben, wenn er nicht gerade etwas Besseres zu tun hatte. Am Ende der Unterredung schnappt sich der greise Dichter die halbleere Flasche Rioja: „‚Für die Reise‘, lachte er verschmitzt.“ (S. 34) Schließlich verschwindet er in einem Taxi und fährt zum allwöchentlichen Markt – um Wein zu kaufen.

Die Episode illustriert die grundsätzlichen Unterschiede zwischen der südamerikanischen Kultur und der „Alten Welt“, wie sie in Federmairs Text immer wieder beschrieben werden. Während hier die Medien und die Unterhaltungsindustrie dem „eigentlichen“ Leben längst den Rang abgelaufen haben, genießt der Reisende die Offenheit des südlichen Gastlandes. Aus der Distanz wirkt die Heimat jedenfalls noch um einiges unerträglicher als sonst: „Ich weiß und gebe zu, dass ich in Mexiko eine vielfache Freiheit genieße: die Freiheit von Feinden und Bürokraten, von Gebildeten und Herren Doktoren, von Mietzinsvorschreibungen und Kontoauszügen.“ (S. 7)

Im dritten Essay gibt uns der Autor einen Einblick in die Werkstatt des Übersetzers. An seinen Anfängen kann Federmair rückblickend eine Konzentration und Gewissenhaftigkeit erkennen, die einem erfahrenen Übersetzer fremd seien. „Immer habe ich den Mangel als Chance nicht nur des, sondern jedes einzelnen Menschen, also auch von mir selbst empfunden.“ (S. 81f.) Auch mit zunehmender Routine kann von Perfektion keine Rede sein. Um die Bezüge innerhalb des Originals auch in der Übersetzung zu bewahren, müsse man an ausgefeilten Konstruktionen arbeiten. „Solches Tun setzt eine Vertrautheit mit den mexikanischen Besonderheiten voraus, aber auch ein Gefühl für die Varianten und Grenzgebiete der eigenen Sprache.“ (S. 85)

Die gelesenen und übersetzten Schriftsteller werden schließlich zu „Brüdern“ und nehmen auf das eigene literarische Schaffen wesentlich Einfluss. Und das im Sinn des Wortes: „In meinem Strom fließen tausend Flüsse, Rinnsäle, Bächlein.“ (S. 106) „Mexikanisches Triptychon“ ist ein Buch, das uns auf die Spur dieser Quellen führt und Federmairs Vermittlertätigkeit zwischen den Kulturen auf eindringliche Art bewusst macht.

Leopold Federmair Mexikanisches Triptychon
Essays.
Wien: Edition Selene, 1998.
109 S.; brosch.
ISBN 3-85266-073-4.

Rezension vom 28.01.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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