Daß es darauf ankommt, wie die Worte gemacht werden, thematisiert Handke in seinem Titel, indem er zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit unterscheidet. Gleichsam einem dekonstruktivistischen Gestus folgend, versucht Handke die Grenzen zwischen Gesagtem und Geschriebenem aufzuzeigen und dadurch aufzulösen. Augenmerk wird auf jene Texte gelegt, die aus dem Sprechen entsprungen sind, deren Form sich in erster Linie dem möglichst freien Reden verdankt, weil gerade im „Nichtfestgeschriebenen, Umweghaften, Abschweifenden“ deren Besonderheit zu liegen scheint. Das Resultat liegt allerdings schriftlich vor, als Buch. Denn als Tonband-„Abschriften“ präsentiert Handke seine mündlich vorgetragenen Reden und gibt ihnen dadurch Gewicht. Das Geschriebene ist ja meist schwerwiegender als das gesprochene Wort, denn dieses geht oft durch den Wind und zum Wind hinaus und verschwindet, so Handke in einer seiner im Buch abgedruckten Reden, eine Laudatio zur Verleihung des Europäischen Literaturpreises an Hermann Lenz.
Die Aufsätze, Notate und verschriftlichten Reden in Mündliches und Schriftliches sind Textzeugnisse aus Handkes vergangenen zehn Lebensjahren. Die Beiträge wurden bereits in diversen deutschsprachigen Zeitschriften und Zeitungen publiziert. Handke hat sie nun zusammengetragen und in einem kleinen Sammelband herausgegeben. Vergleichbar mit seinen gesammelten Verzettelungen „Langsam im Schatten“, 1992 bei Suhrkamp erschienen, zeigen sie Handke als leidenschaftlichen Kinogänger, Bildbetrachter und Leser. Handke begibt sich in die Rolle des Rezipienten und versucht, sich durch bloßes Zuschauen die Welt zu verdienen. Seinen „Appetit auf die Welt“, so auch der Titel seines ersten Beitrages, entstanden anläßlich der Eröffnung der Viennale 1992, möchte Handke durch Kunstgenuß stillen, doch die Seelennahrung erweist sich in beklagenswerter Weise allzu oft als Seelenfraß. Aus diesem Grund stellt Handke auch seine Desiderate an den Kunstbetrieb: So wünscht er sich Filme für „große Heimwege“, Arbeiten von bildenden Künstlern, die auch bei geschlossenen Augen „Nachbilder“ entstehen lassen, und (literarische) Texte, die Zwischenräume eröffnen und errichten, „Räume zwischen den Wesen und den Dingen und wieder den Wesen“. In den Begegnungen mit Filmen von Straub und Huillet oder des iranischen Filmemachers Abbas Kiarostami, bei der Lektüre der Bücher von Marguerite Duras, Hermann Lenz oder Ralf Rothmann, im Betrachten der Bilder von Pierre Alechinsky, Zoran Music oder Anselm Kiefer scheinen Handkes Erwartungen befriedigt zu werden, denn deren Arbeiten ermöglichen allesamt Betrachtungen, „bekannt als Bilder aus dem eigenen Leben – dem unbekannten eigenen Leben. Nur dem eigenen? Nein, dem unbekannten, größeren, in dem auch mein eigenes, das des Betrachters, mitspielt“.
Der Betrachter und dessen Begegnungen mit den Kunstwerken rücken ins Zentrum des Kunstgenusses, bestimmen den Kunstgeschmack. Durch die Aufwertung des Rezipienten stellt sich nun Handke selbst in den Mittelpunkt. Er betritt den Spielraum, den die besprochenen Filme, Texte und Bilder eröffnen, und füllt ihn gleichsam auf mit seinen Erfahrungen und Weltansichten. Seine oftmals nur angedeuteten Beschreibungen und Beobachtungen sollen beim Lesen zwar für sich selber sprechen, ohne dem Leser mit dem üblichen Rezensions- und Analysenschema jede eigene Erkenntnismöglichkeit gleich mit dem ersten Satz wegzunehmen. Handke übersieht dabei allerdings, daß er selbst so sehr in den Texten präsent ist, daß als Erkenntnis dann vor allem eines bleibt: Selbstgefälligkeit. Handke könnte sich ruhig ein wenig zurücknehmen. Denn das Buch sagt mehr über ihn selbst aus, als über die besprochenen Arbeiten. Insofern kommen Handke-Verehrer auch auf ihre Rechnung. Meiner Meinung nach sollte sich Handke aber lieber in Anlehnung an die Forderung des Kritikers Helmut Färbers, den er in seinem Buch mit Lob überschüttet, eines zu Herzen nehmen: Schriftsteller sollten, was sie finden und fordern, auch selber sein.