Die Erzählung „Suche nach der Identität eines Landes“ ist dem Osttiroler Schriftsteller Johannes Trojer gewidmet, der kurz vor dem Verfassen des Textes verstorben war.
Der Heimat-Text Christoph Zanons ist als literarische Erzählung angelegt, die jeweils an den wichtigsten Parametern einer Heimatbeschreibung entlang geführt und mit Osttiroler Eigenheiten besetzt wird.
Der Abschnitt „Überblick“ ist dem Gebirge gewidmet, das so gestaltet ist, daß es kein Entkommen gibt. Das einzige Loch, durch das der Osttiroler ohne Überwindung eines Passes fliehen könnte, führt nach Kärnten und somit ins Nichts.
Im zweiten Abschnitt berichtet der Autor von der Ausstrahlungskraft der Maschinen, die in entlegenen Gegenden eine besonders hohe Anziehungskraft auf die Grenzbewohner ausüben. Man denke nur an Franz Kafkas Erzählung In der Strafkolonie, wo die Maschine die Gefangenen so gefügig macht, daß sie auf Pfiff zur eigenen Hinrichtung erscheinen. „In allen Lebensbereichen richtet sich der Mensch nach der Maschine. Sie spart ihm das Rätseln um das Handwerk.“ heißt es bei Christoph Zanon. Der moderne Mensch in Osttirol definiert sich jedenfalls über die nächstbesten Maschinen, teilt die Zeit in Abschnitte ein, die er mit dem Auto unterwegs sein kann, und fährt als Fleisch gewordener Traktor mit neuem Bewußtsein über die Felder. „Endlich war er befreit: Vorbei war es mit der ewigen Notwehr [gegen die Natur].“ (S. 12)
Im Kapitel „Zweck“ bricht die neue Zeit endlich komplett über das Land herein. Vorbei ist es mit dem alten Kreislauf des Jahres, der Fremdenverkehr stellt die neuen Jahreszeiten zusammen. Und das Gebot für die Einheimischen lautet: nicht nur den Fremden untertan zu sein, sondern dem Fremdenverkehr als solchem! Für manche bleibt daher das „Weggehen“ als einzige Möglichkeit, den eigenen Kopf und die eigene Haut zu retten. Die Großstädte ziehen die Bewohner dieser geistig kargen Landschaft an. „Die Großstadt wirkt wegen ihrer Massenhaftigkeit geradezu magnetisch.“ (S. 22) Den Dableibern bietet sich die „Kleinstadt“ als Alternative an. „Ich könnte Romane schreiben, aber jetzt ist nicht die Zeit für Romane. […] Das Leben in einer Kleinstadt ist schwierig, aber ganz deprimierend ist das Leben in einer Kleinstadt im Gebirge.“ (S. 29)
Unter dem Titel „Was das Land hat“ wären nach dramaturgischen Grundgesetzen schließlich die Schönheiten fällig, die ein Mensch entdecken sollte, wenn er bis zu seiner Entdeckung noch am Leben ist. Dem Einheimischen ist das Schöne ohnehin nicht zugänglich. „Das Alte ist verloren und das Neue hat kein eigenes Gesicht: Die Dinge stammen nicht von uns, es sind fremde Kinder, die wir nicht lieben.“ (S. 33) „Die Praxis als Aufstand“ nennt sich schließlich die Lebensform, die als einzige Chance bleibt. „Ich höre, wie man mir Provinzialismus vorwirft; ich halte entgegen: Das ist der Instinkt des Gebirgsbewohners.“ (S. 38) Der Abgesang heißt „Noch einmal das Gebirge. Alles bei uns bestimmt das Gebirge.“ (S. 42)
Neben den Sachverhalten, die für das Publikum, das dem Referat beiwohnen sollte, eingestreut sind, ist es vor allem die Melancholie, die als Haupteindruck im Leser zurückbleibt. Da wird nichts geschönt oder patriotisch verbrämt, es ist die Traurigkeit, die von halb verwitweten Menschen und halb verwitterten Gerätschaften ausgeht.
Erzähltechnisch interessant sind die Variationen, die über den lateinischen Ur-Erzählungen herumgeflochten sind. Christoph Zanon hat sich, so scheint es, als Lateinlehrer eine besonders schwere Schularbeit gestellt, die er zur Feier des Tages besonders luftig gelöst hat.