Nun hat ihr Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke ihrer freundschaftlichen Korrespondenz bereits die zweite Edition innerhalb der letzten zehn Jahre beschert. Daß der vorliegende Briefwechsel das Augenmerk wieder auf die Künstlerin Mathilde Vollmoeller lenkt, ist neben dem kenntnisreichen und klugen Kommentar der Herausgeberin eines der Verdienste dieser neuen Ausgabe (letztere erweitert um 15 mittlerweile gefundene Briefe).
Die kleine, zierliche, selbstbewußte Person, gesegnet mit finanzieller Unabhängigkeit und beherzter Unerschrockenheit, war in praktischen Dingen ebenso selbständig wie in ihrer Einschätzung der zeitgenössischen Kunst und Kultur. 1897 begegnete sie Rilke zum erstenmal bei einer George-Lesung in Berlin. 1906, in Paris, wird die Beziehung enger, fast eine Freundschaft. Sie war es, die den Dichter auf Cézanne aufmerksam machte und ihn der zeitgenössischen modernen Malerei und Dichtung näherbrachte (Rilke zitiert begeistert ihr Urteil über Cézanne: „Wie ein Hund hat er davorgesessen und einfach geschaut, ohne alle Nervosität und Nebenabsicht“).
Der zwischen 1906 und 1920 dokumentierte Briefwechsel zwischen Rilke und Mathilde Vollmoeller gibt Einblicke in ihre künstlerische Entwicklung wie in ihren Alltag; und er ist zugleich Zeitbild einer Stadt und eines Mythos. Paris – die schillernde Metropole, in welche es auch die kleine, emanzipierte Person mit schwäbischem Zungeschlag zog, die sich dort ganz ihrer künstlerischen Arbeit zu widmen gedachte. – Nicht weniger als der seiner Selbstbestimmung verschriebene Rilke, dem sie nicht nur mit ihrem Atelier (samt Nützlichem wie Handtüchern und Besteck) aushalf, sondern ihn auch zum Sammeln jener Maler anregte, die sie kannte und bereits in ihrer Wohnung – wie selbstverständlich – hängen hatte: Picasso, Seurat, Rousseau, Matisse und viele der berühmten Namen mehr.