Aus den Koordinaten des Bands lässt sich einiges ableiten. Wimmer hat ihn in zwei Kapitel, „Fenster wie Tage“ und „Gemischte Wirklichkeiten“, eingeteilt. Die Gedichte sind nummeriert; zum ersten Mal lese ich in einem Gedichtband die Entstehungsdaten der einzelnen „Einheiten“, beispielsweise ist „001“ am „02.05.2010“ geschrieben worden und ist ein „sonntagstext“, andere sind „freitagstext[e]“ oder „pfingstmontagstext[e]“ und „geburtstagstext[e]“. Alle Gedichte hat Wimmer im Jahr 2010 verfasst und wenige später überarbeitet, was aus dem zweiten Datum, das neben dem ersten angeführt wird („07.07.2010/ 24.08.2018“), geschlossen werden kann. Nur bei einem Gedicht vermerkt Wimmer sogar den Entstehungsort, nämlich das „café korb“, gemeint ist wohl jenes in Wien, es ist das Gedicht „066“ im zweiten Kapitel. Eine weitere Konstante ist der wiederholte anmutige Hinweis auf die Dichterin Elfriede Gerstl, mit der Wimmer in einer „Lebensfreundschaft und -partnerschaft“ verbunden war. Beide Motti an den Kapitelanfängen stammen von ihr. Das zweite sei zitiert. „manchmal passe ich nicht/ in mein weltbild“. (Eine Erfahrung, die der eine und andere schon persönlich gemacht haben wird.)
Eine weitere Konstante sind die zahlreichen Dedikationsgedichte, die er Karin Fleischanderl, Eugen Gomringer, Monika Lichtenfeld, Andreas Okopenko, Gerhard Rühm, Ferdinand Schmatz, Thomas Wohlfahrt und anderen widmet, Okopenko gleich mehrere.
Herbert J. Wimmer ist in seinem Band relativität ist freiheit ein Aphoristiker, Beobachter, Dichter, Liebender, Philosoph und Zeitzeuge. Ein Mann, der mit offenen Augen an seinem fließenden Lyrikband steht. In seinen Gedichten, Haikus, Memoretten und Parlandi mischt er lustvoll und eloquent, manchmal auch reduziert, Erinnerung und Gegenwart.
Jeder Text, sei er nun ein „testtext“ oder ein „hoffnungs-haiku“, ist sozusagen vollkommen selbstständig, steht aber in Beziehung zu einhundertneunundneunzig verwandten Niederschriften in der Sammlung. Die Gedichte korrespondieren, weil sie aus dem Leben gegriffen sind. „in jedem augenblick/ in aller gegenwart/ verändert sich unser leben/ auf eine art & weise/ in einer art & weise/ die wir erst in der zukunft/ verstehen werden“ (S. 124).
Wimmer kann auch kritisch sein, wenn er den Literaturbetrieb beobachtet. „bachmann verbraten// wenn deutschsprachige/ literatur zu klagenfurt ihre tage hat/ rieche den bachmannbraten“ (S. 180). Das korrespondierende Gedicht ist im Buch ebenso zu finden und zu lesen. „tendenzbeobachtung// vollkommene geschichten/ sind vollkommen/ uninteressant“ (S. 218).
Tatsächlich nacherzählen oder gar rezensieren kann man relativität ist freiheit freilich nicht. Man kann aber die Lektüre des Bands empfehlen, weil er weder esoterisch noch hermetisch ist, sondern leicht und manchmal sogar in Wimmer’scher Form heiter, lustig oder unbeschwert, jedoch nicht gewichtlos.