In dem von Mayröcker so meisterlich beherrschten Parlando werden wir mitgerissen in ein Liebesgeflüster, in eine Klage und einen Ruf, der bei aller Trostlosigkeit durch seine dunkel-glänzende Schönheit zugleich intim und kostbar erscheint. Die zeitlebens so kunstvoll gelegten Spuren der Erinnerungen, die wie Palimpseste sich übereinanderlegen und ein Leben umkreisen, zeigen sich nun als vollendet; jedoch: noch lange nicht zuende. Unsterblich wird er sein, dieser Roman, diese Totenklage.
Was solch faszinierende Dichtung spricht und verschweigt, wo sie in geheime Labyrinthe Einblick gewährt und verschattete Vergangenheiten zu Glücksmomenten erhellt, das ist in diesem Requiem so nah und zugleich kunstvoll-distanzierend aufgehoben, so schmerzlich-schön, so wortgewaltig und verschwiegen, daß wohl nur ER gegeben haben mag zu sagen, was man leidet.
Und weil es solch vollkommene Sprach-Kunst ist, die vor dem Verstummen rettet und den Schmerz erträglich macht, verbietet es sich einmal mehr, dieses Widmungsgedicht zu unterbrechen und aufzusplittern, um biographische Brocken daraus zu exhumieren. Wenn Mayröckers Klage selbst entsprechende Spuren legt, dann nur, indem sie zeigt, wie das eigene zu etwas anderem geworden ist. Biographie findet, wenn überhaupt, also quasi als Anhang in den kleineren, älteren beigegebenen Texten statt. Zum Beispiel in Mayröckers Lesart von Ernst Jandls „in der küche ist es kalt“ oder dem berühmten „ottos mops“. Doch – auch hier hören wir vor allem dieses musikalische Sostenuto, melancholisch, triste, formvollendet, unvergänglich.
Friedricke Mayröckers Requiem für Ernst Jandl ist Totenlob und Trauermusik, Epitaph und Eloge zugleich. Und so ist diese verzweifelte und souveräne Reaktion auf das Hinscheiden des Gefährten ihres Lebens und Schreibens (Nein, „ich will nicht mehr weiden“ – diesmal „ist er zu weit gegangen“) auch eine große Huldigung an die Dichtung, die größere Hoffnung. Für ihn, Ernst Jandl, für Sie, Friederike Mayröcker und für beide gemeinsam.