Im ersten Teil, „Rohübersetzung, Ein Dialog“, räumen zwei zerbrochene Liebes-Teile ihre Erinnerungsblätter zusammen, die halb Aufzeichnungen, halb Laub sind. Selbst am Ende, wo es um nichts mehr geht, sind die einzelnen Sätze und Begriffe noch immer eine mehrdeutige kritische Masse und können spontane Zwistschübe auslösen. Die leiblosen Ex-Liebenden kämpfen um ihre Fassung sowie die richtige Fassung der Erinnerungsstücke.
Eine Ananas wird zum zentralen Motiv, das in Geruch, Form, Nutzen und Verzehr der geplanten Liebe recht nahe kommt. Der Dialog entwickelt sich nur ruckweise, weil die einzelnen Parts nicht geklärt sind. Es wird nachgefragt, korrigiert und verworfen. Die Rohübersetzung ist dabei durchaus doppelt zu verstehen, einmal als Entwurf für eine Übersetzung, die noch nicht abgeklärt ist, und andererseits als die Übersetzung von etwas Rohem, das sich „die fiktiv Zusammenkomponierten“ (S. 14) immer wieder an den Kopf werfen.
„Wo doch das Erhabene und das Lächerliche so gerne grandiose Liaisonen eingehen“, heißt es im Motto, das über das Buch geschrieben steht. Und in der Rohübersetzung ist von Schrecken und Mut, Seelenfrieden und Wut gleichermaßen die Rede.
Im zweiten Teil, „Lokalaugenschein, Ein Scheindialog“, ist zwar die Ausgangsposition realistischer, dafür wird umso „schein“-heiliger poetisiert. Eine berühmte Sängerin will nichts von den Anbetungen des poetischen Ichs wissen, weshalb die Sätze dann auch ins Leere rennen. Nun ist es in manchen Phasen der Liebe so, daß sie umso heftiger erscheint, je weniger realistisch sie ist. Diese Anbetung einer hinter Irrealitätsschleiern verborgenen Person bis hin zum reinen Selbstzweck läßt an einen modernen Minnesänger denken, dem trotz aller PS unter der Haube die Angebetete nicht zusteigen will. Auch hier liegen Trugbild, Wahnvorstellung und realer Schmerz sehr dicht beisammen.
Julian Schutting ist es gelungen, ein ernstes Thema schockgefroren so aufzublättern, daß sich daraus wunderbare Düfte, Sehnsüchte und „ein reißendes Wolkengeflute“ (S. 98) der Seele ergeben. Sorgfältig sind die Sequenzen gearbeitet, indem das Sprachwerkzeug bis an die Grenze der Handhabbarkeit eingesetzt wird. Und über allem schimmert dieser Mond, der bei Julian Schutting angenehm ironische Züge trägt.