#Roman

Satus Katze

Constantin Göttfert

// Rezension von Marcus Neuert

Mit dem knapp einhundertvierzig Seiten schmalen Roman Satus Katze legt der junge österreichische Autor Constantin Göttfert nach drei Bänden mit kürzerer Prosa sein Debüt in der erzählerischen Großform vor. Strukturell ist er dabei sehr methodisch vorgegangen, denn Satus Katze ist sozusagen die Geschichte in der Geschichte in der Geschichte.

Den Rahmen bildet die zufällige Begegnung des namenlosen Ich-Erzählers, eines jungen Wiener Schriftstellers, mit der Schauspielerin Nora in einem Café seiner Heimatstadt und eine sich daraus ergebende geheimnisvoll-sexuell aufgeladene Episode. In diese eingebettet sind die merkwürdigen Erlebnisse des Ich-Erzählers anlässlich eines literarischen Stipendiums in finnischen Oulu. Hier hinein verwoben wiederum wird das offenbar stark autobiografische Manuskript Satus, eines jungen einheimischen Autors, das der Ich-Erzähler von seiner Universitätsbetreuerin Dr. Karjalainen zu lesen aufgefordert wird. Nora, die in einer in Wien aufgeführten Bühnenfassung dieses Manuskriptes eine tragende Rolle spielt, war mit Satu zeitweise liiert – so schließt sich der Kreis.
Die Handlungsstränge durchbrechen einander immer wieder, arbeiten mit Rückblenden, was die Rezeption zwar einerseits erschwert, aber die düstere und verunsichernde Grundstimmung des Romans wirkungsvoll unterstreicht.
In allen Erzählebenen spielen Katzen einen hintergründigen und verstörenden Part und wirken dabei als Metaphern für Unglück, Gewalt und familiäre Katastrophen, als Boten von Tod einerseits und zähem Überlebenswillen andererseits. Göttfert verarbeitet auch Elemente des finnischen Nationalepos’ Kalevala, in dem eine riesenhafte Katze als Gehilfin der mächtigen Hexe Louhi, der Herrin des Nordlandes, beim Verschleppen ihrer Opfer hilft.
Verschleppt fühlt sich auch der Leser von Constantin Göttferts kleinem Roman, verschleppt in die kalte und mitleidlose Winterwelt des finnischen Nordens, in den potenziellen Wahnsinn aller Protagonisten, in Alkoholsucht und eisige Obsessionen, verschleppt in eine gleichermaßen nüchtern-beschreibende und doch ungemeine Beklemmung erzeugende Sprache.

Worum es Göttfert nun eigentlich geht, wird freilich nicht ganz klar. Der Bucheinband verweist etwas lapidar auf die großen ewigen Themen von der Liebe und vom Bösen und springt damit deutlich zu kurz. Von Liebe handelt hier im Prinzip nur wenig, die Rede ist eher von unterdrückter, ja unterkühlter, schuldhaft empfundener und ausgeführter Sexualität, und auch das Böse erscheint vielmehr als das Unkalkulierbare, das Schicksalhafte im Leben der Göttfert’schen Figuren. Nach der Lektüre mutet es eher an, als habe hier ein handwerklich ausgesprochen versierter Autor den Versuch unternommen, dem etwas patinierten Genre des Phantastischen stilistisch auf der Höhe der Zeit beizukommen, und man könnte dieser literarischen Unternehmung ungeschmälerten Beifall zollen, haftete ihr nicht in jedem Satz, in jedem Wort eine angestrengte Berechnung an, die dem Text insgesamt etwas Überkonstruiertes verleiht: zu den bereits erwähnten drei Erzählebenen gesellt sich nämlich möglicherweise noch eine vierte, sozusagen das wahre Leben, das zwischen Autor und Erzähler-Ich nicht mehr wirklich unterscheidet. Nicht nur, dass der Hauptprotagonist über die ganze Distanz ohne Namen bleibt und durch die äußerst sparsame Charakterisierung (jung, Wiener, Schriftsteller) sich Göttfert selbst zu spiegeln scheint; der ganze Roman ist nun auch noch einer Nora gewidmet – die Namensgleichheit mit der im Buch vorkommenden Schauspielerin kann ja wohl kein Zufall sein. Keiner der gesponnenen Fäden wird wirklich aufgelöst, die Athmosphäre des Rätselhaften trägt uns gleichsam aus dem Buch hinaus, so wie sie uns hineingespült hat.

Es ist nicht gerade ein ausgesprochen modern anmutendes Stück Prosa, das Göttfert da geschrieben hat, in dem es womöglich von selbstbewussten Charakteren nur so wimmelte. „Satus Katze“ legt vielmehr beiläufig dar, wie wenig Einfluss die handelnden Personen auf ihren eigenen Lebensweg zu haben scheinen. Da wird eine bestimmte Einstellung hervorgerufen, die im Einklang mit dem gewählten Sprachduktus fast schon Fatalismus zu erzeugen imstande ist. Vielleicht ist dies aber letztlich eine Grundhaltung aller phantastischen Literatur, denn in ihr geht es ja gerade immer genau um dieses Unwägbare, das Einbrechen des Unkontrollierbaren in eine scheinbar geordnete Welt.

Das Genre als solches kann man nun mögen oder nicht. Und doch ist es schwer, sich dem düster-erotischen Moment dieses Romans zu entziehen: das Faszinierende liegt in der virtuosen Schlichtheit des Sprachstils und den merkwürdig distanziert geschilderten Charakteren, über die man nicht genug erfährt, um sie auch nur einordnen, geschweige denn, sich mit einem von ihnen identifizieren zu können. Das Buch hinterlässt seine LeserInnen offenbar gewollt unbefriedigt, das ist schließlich literarisch durchaus erlaubt – und macht neugierig auf mehr von diesem jungen Autor.

Constantin Göttfert Status Katze
Roman.
München: C.H. Beck, 2011.
139 S.; geb.
ISBN 978 3 406 62164 2.

Rezension vom 01.10.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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