Zwei Mal in ihrem Leben wurde Franziska Tausig entwurzelt, wie sie in ihren Erinnerungen schreibt. Ihr erstes Zuhause, das sie, frisch verheiratet mit dem ungarischen Rechtsanwalt Aladar Tausig, im ungarischen Teil Siebenbürgens gegründet hat, muss sie nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie verlassen und sich in Wien ein neues Leben aufbauen. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich wird die Situation für die jüdische Familie Tausig immer prekärer. Das Geschäft ihres Vaters wird liquidiert, sie verlieren ihr Vermögen. Franziska Tausig setzt alles daran, die Flucht zu organisieren. Im Jänner 1939 kann ihr Sohn Otto sich mit einem Kindertransport nach England retten. Er versucht, seine Eltern nach England nachzuholen – aber nur gesunde Emigranten werden aufgenommen. Aladar Tausig leidet an einem Gehörschaden und wird deshalb abgewiesen. Wenig später gelingt es Franziska und Aladar Tausig durch Zufall, zwei Passagen auf dem Dampfer „Usaramo“ nach Shanghai zu erhalten. Die Flucht in den Fernen Osten rettet ihnen das Leben. Ihre übrige Familie wird später ermordet.
Das Schiff ist von der Gestapo gechartert und für die Nazis ein profitables Geschäft mit den jüdischen Flüchtlingen. Shanghai ist der letzte Hafen, der Juden ohne Einreisevisum aufnimmt. Völlig mittellos kommen Franziska Tausig und ihr Ehemann in Shanghai an. Aladar Tausig, der auf der Überfahrt erkrankt ist, sollte sich dort gesundheitlich nicht mehr erholen. Er stirbt 1943 an Tuberkulose.
Niemand ist auf das Exil vorbereitet. Wie verkraftet man den Schock, an einem völlig fremden Ort anzukommen? Wie schafft man es zu überleben? Franziska Tausigs bewundernswerte Tatkraft und ihre Kochkünste retten sie: denn Apfelstrudel und Sachertorte sind im Emigrantenviertel Hongkew sehr gefragt. Sie erzählt eindrücklich, wie sie um ihr Überleben und das ihres kranken Mannes kämpft. Der Wille, ihn zu versorgen und zu ernähren, wird zu ihrer stärksten Antriebskraft. Dafür arbeitet sie praktisch rund um die Uhr. Für einige Zeit führen die Eheleute sogar ein eigenes „Wiener Café“, welches der Treffpunkt für viele österreichische und deutsche Emigranten, die das Elend zusammenschweißt, ist. Hier erleben sie die wenigen glücklichen Momente in der Emigration.
Die sozialen und hygienischen Verhältnisse, unter denen sie leben, sind katastrophal – wenn auch noch oft besser als diejenigen der chinesischen Bevölkerung. Die Lage verschlimmert sich noch, als die japanischen Besatzungstruppen 1943 diesen Stadtteil zum Ghetto machen. Es gibt kaum Kontakt zu Chinesen, auch weil die Sprachbarriere für viele eine zu große Hürde ist. Berührend erzählt die Autorin von ihrer Freundschaft zu Nofretete (sie nennt sie so, weil sie sie an die ägyptische Königin erinnert), einem zur Prostitution gezwungenen chinesischen Mädchen, das ihr beim Tod ihres Mannes als einzige tröstend beisteht. Nofretete beweist mehr Mitgefühl als die Emigranten, die sich nur für den Anzug und die Schuhe des Verstorbenen, beides Mangelware in Shanghai, interessieren.
In der ihr eigenen unprätentiösen und lebendigen Sprache schildert Franziska Tausig den Alltag im Exil, immer genau beobachtend, oft humorvoll und mit einer Portion Selbstironie. So schreibt sie, dass sie dank ihres unscheinbaren Äußeren bei den diversen Behörden erfolgreich ist – und nicht dank ihrer Durchsetzungskraft. Aber nur an wenigen Stellen in ihren Erinnerungen beschreibt sie ihre Gefühle. In oft zu literarischen Anekdoten verdichteten Erlebnissen lassen sich diese dennoch herauslesen – vor allem Trauer und Heimweh. So zum Beispiel, wenn die Autorin von „Exzellenz“ Skrjabin erzählt, einem russischen Adeligen, der in Hongkew als Nachtportier arbeitet. Nur sonntags im Café, unter anderen Exilanten, verwandelt er sich wieder zurück und lässt die Illusion einer strahlenden Vergangenheit erstehen. Alle Emigranten sehnen sich nach der verlorenen Heimat und ihrer verlorenen Identität, manche, wie Franziska Tausigs Ehemann, gehen daran auch zugrunde.
1947 kehrt Franziska Tausig nach Wien zurück. Mit dem anrührend geschilderten Wiedersehen mit ihrem Sohn, der sie kaum erkennt, enden die Erinnerungen der Autorin. Wie schwierig es war, die langen Jahre der Trennung zu überbrücken und wie traumatisierend die Erfahrungen des Exils für sie gewesen sein müssen, wird aus dem Nachwort Otto Tausigs deutlich. Denn die Angst vor einem weiteren Verlust hat sie zu einer über die Maßen beschützenden Mutter gemacht.