Denn über das Inhaltliche lassen sich nicht viele Worte verlieren: zwei Freunde sitzen irgendwo im maritimen Süden, sprechen dem Wein zu und drehen einander gegenseitig die Wörter und Phrasen im Munde um. Über einen der beiden läßt sich sagen, daß er ein Bücherwurm ist – er wird von seinem Gegenüber oft wegen seiner Zitiersucht verspottet. Sonst erfährt man nicht viel Konkretes: der Librophile deutet manchmal etwas von seinem Bruder und dessen ehemaliger Geliebten namens Soledad an (aber sie könnte auch nur ein Hirngespinst gewesen sein – jedenfalls soll es eine südliche Insel dieses Namens geben), des weiteren existiert ein Freund „im Norden oben“, der als bildender Künstler tätig ist und einmal für eine Ausstellung zum Thema Engel arbeitete und dabei den Vielleser zur Literaturrecherche anheuerte – daher rührt auch das Leitmotiv Engel (man erinnert sich daran, daß einmal eine „Engel“-Ausstellung während der Wiener Festwochen lief – aber das bleibt das einzige Realpartikel).
Die beiden machen das, was man umgangssprachlich wohl dahinphilosophieren nennt: über Alltagsphänomene mit einem Hauch von Wissenschaftlichkeit dahinplaudern, schwadronieren (und die Umgangssprache nimmt, neben betont „hohem Stil“, breiten Raum ein). Stellenweise wirken die Dialoge so, als sei man in eine Kneipe an einen Tisch zweier sich gegenseitig anstachelnder und – wie es einmal heißt – „angesäuselter Wiffzacks“ geraten, oder man fühlt sich mitunter an eigene alkoholschwangere Schwafeleien erinnert. Aber neben höchst amüsanten Aussprüchen („Du sprichst mir aus dem Mund. / Pfui Teufel!“) kommt bei solchen Schlagabtauschen auch weniger Gelungenes, überbetont Witziges heraus („Jetzt geht dir aber der Esel durch, auf dem du sitzt, während dich gleichzeitig der Teufel reitet.“). Natürlich wird hier jeder Leser anders urteilen; und natürlich liegt auch die Ablehnung im Kalkül des Autors, er läßt seine beiden Widerparts oft genug über die Qualität des selbst Gesagten schimpfen.
Die knappen, in einfachen Sätzen gehaltenen Dialoge bilden ein Herbei- und Herumreden, ohne dabei vom Fleck zu kommen (und da sich das Gespräch offensichtlich in höchst angenehmer Umgebung abspielt, will auch niemand vom Fleck kommen). Christian Futscher reizt Gemeinplätze, Kalauer und Platitüden aus („Heute schon geübt die Etüden von Platt? / Du meinst die Platt-Etüden? / Genau die. / Nein, die spiele ich vom Blatt.“). Er probiert, was die Sprache – ohne „experimentell“ zu werden – aushält. Als das Höchste preist der Text ohnehin das Schweigen: dem siebten und letzten Kapitel geht erneut ein programmatisches Motto (von Philippe Soupault) voraus, in dem es heißt: „nichts wiegt ein würdiges, tiefes Schweigen auf“. Mit den Sprachspielereien, die dem Schweigen seitenfüllend voran gehen, bewegt sich der Autor in einem interessanten Zwischenfeld: man könnte sie als Naivität auslegen, als ein Zurück hinter die literarische Avantgarde einer „Wiener Gruppe“ etwa, man könnte Futschers Schreiben aber auch als erfrischende Unbeschwertheit mit allem avantgardistischen „Wissen“ im Hintergrund sehen, ein Schreiben, dem alles erlaubt, nichts verpönt oder peinlich ist. Letztendlich bleibt diese Frage offen – zum Nutzen des Buches.
Schließlich erfährt man noch, was es mit Soledad tatsächlich auf sich hat, aber das ist nur eine Draufgabe, man hat bereits – indirekt – viel über die Entstehung von Sehnsüchten und Bildern im Kopf erfahren. Und zu guter Letzt läßt sich mit diesem Buch eine vergnügliche Zeit verbringen. Es macht nichts, daß dies nicht „im Süden unten“, sondern winters in Wien geschieht. Denn die lauschigen südlichen Abende soll man ohnehin – wie Futscher zeigt – mit einem guten Freund, einer guten Freundin bei guten Weinen verbringen.