Jugendfrei ist Speckbachers Nachlassen aber eher nicht, ebensowenig darf man sich durch „Edition Bierstindl“ verwirren lassen: von stammtischheimeliger Bierseligkeit ist nicht die Spur in den Texten zu finden, im Gegenteil. Schönauers Anti-Heimatromane nehmen diese mit Vergnügen aufs Korn, ebenso manchen sie sich lustig über Gepflogenheiten im Straßenverkehr, Beamte in Ausübung ihrer Tätigkeit oder andere Missstände im Lande Tirol.
Doch wie Tirol einen Bestandteil einer größeren Einheit, nämlich der Republik Österreich darstellt, Österreich wiederum der wesentlich bedeutenderen Europäischen Union angehört und sich am Ganzen wie an seinen untergeordneten Teilen genügend Karikierenswertes findet, so agiert auch Speckbacher nicht nur in den Alpen, sondern ebenso in der Hofburg oder gar in Brüssel. Genau genommen bezieht er seine Befehle von dort. Selbstredend und wie Agentenkreisen so üblich in Form von verschlüsselten Botschaften.
Speckbacher ist nämlich ein echter Agent. Arbeitet deshalb auch verdeckt, teilweise so verdeckt, dass sich gar nicht mehr genau feststellen lässt, was er eigentlich arbeitet. Aber das ist ja ohnehin allgemein üblich, besonders bei den Mitgliedern der Tiroler Einheitspartei (TEP). Aber der Schein muss gewahrt werden, in der Höttinger Au wie im Fernsehen.
Man könnte einen armen Leser schwer in Verlegenheit bringen, würde man von ihm verlangen zu erzählen, worum es in Speckbachers Nachlassen eigentlich geht. Eine Handlung im klassischen Sinne ist nicht vorhanden, aber daran haben sich Freunde zeitgenössischer Literatur ohnehin längst gewöhnt. Politik, Literatur, österreichische Alltagskultur oder kulturloses Alltagsleben sind druchgehend präsent, und doch haben wir es mit einem Roman zu tun, der wesentlich mehr ist als ein essayistisches Plauderstündchen über alles Unerfreuliche in diesem Land.
Es geht um alles und nichts, das Fernsehen und die Welt, Tirol und Brüssel, Prominente und Agenten, Hubschrauberabstürze und Lawinen, und und und. Und ebendieses Alles ist durchaus witzig geschildert. Seitenhiebe auf Autorenkollegen sind ebenso zu finden wie Betrachtungen über „miserables, zeugungsuntaugliches Blut der Habsburger“ oder den Ötzi. So abstrus Schönauers Gedankengänge manchmal auch sein mögen, meist haben sie doch einen bissig treffenden Kern.
Und man weiß nicht recht, ob man diese satirischen Ergüsse in einem Zug verschlingen oder sich lieber in kleinen Dosen zu Gemüte führen soll, um von der Fülle seiner Einfälle nicht erschlagen zu werden bzw. sich in einem Zustand geistiger Verwirrung wiederzufinden. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, aber gilt das auch für deren groteske Überzeichnung? Genießen Sie das Buch also besser mit Vorsicht. Sollten unerwünschte Nebenwirkungen auftreten kontaktieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker.