Geht man die Frage nach der sprachlichen Überfremdung historisch an – und das tun alle Beiträger auf ihre Art – verliert die Situation zudem ihre Einmaligkeit und damit viel kulturpessimistisches Potential. Ob aus dem Griechischen, Lateinischen, Französischen oder auch dem Italienischen – Klagen über und Kampf gegen überproportionales Eindringen von Fremdwörtern durchzieht die abendländische Sprachgeschichte. Und so wie bei all diesen Disputen geht es auch heute letztlich nicht um die „Sprache der Mickey Maus“, sondern „um die Mickey Maus selbst“ (Wolfgang Bader, S. 35), also um die Tatsache, daß die gesamte technische Zivilisation […] in Angloamerikanisch entworfen wird (Jörg Drews, S. 21). Das ist ein (kultur-)historisches Faktum, dessen sprachliche Konsequenzen allenfalls die Windmühlenflügel darstellen. Einigkeit daher unter den Beiträgern, daß viele Anglizimen nicht mehr wegzudenken sind, und ein Verzicht darauf auch gar nicht sinnvoll wäre, da vielfach kein deutsches Äquivalent von vergleichbarer Prägnanz existiert. Das meint keineswegs nur ein resignatives Hinnehmen des Gegebenen sondern impliziert auch positive Effekte. Wolfgang Bader etwa zeigt aus dem Blickpunkt der Deutschlernenden im Ausland die Brückenfunktion dieser Anglizismen, die den Zugang zur deutschen Sprache erleichtern können und Jörg Drews verweist auf das sprachspielerische Potential, das sich im Umfeld des neuen Mediums Internet und seiner häufig jungen „User“ entwickelt.
Drei Referenten beschäftigen sich mit dem Englischen als Lingua franca im wissenschaftlichen Diskurs, wobei der zentrale Beitrag nicht vergessen werden darf, den der Massenexodus der deutschen Wissenschaftler durch den Nationalsozialismus zu dieser Entwicklung geleistet hat. Am Beispiel der Wirtschaftswissenschaften (Knut Borchardt), der Philosophie (Andreas Kemmerling) und sogar der Mathematik (Robert Picht) wird deutlich, daß selbst in der binnenwissenschaftlichen Verständigung unreflektiert übernommene und dabei nicht selten auch falsch verstandene angloamerikanische Termini zu Mißverständnissen, Leerläufen und Denkhemmungen führen können.
Und das ist der zweite Punkt, in dem sich die Beiträger des Bandes im wesentlichen einig sind: Es geht nicht um einen chauvinistischen Abwehrkampf ewig gestriger Sprachpuristen, sonden um ein Plädoyer für einen sensiblen Umgang mit Sprache, der bei der Übernahme von Anglizismen nicht vor dem zeitgeistigen Diktat von lifestyle und Sprachdesign kapituliert, sondern nach Nutzen, Bedeutungsgehalt und auch nach phantasievollen deutschen Ersatz- oder Paralellbegriffen fragt. Daß dabei auch die größte Sprachkreativität nur Alternativen anbieten kann, deren Durchsetzungskraft sich nur im Alltagssprachgebrauch erweisen kann, stellt der Sprachwissenschaftler Hans-Martin Gauger in seinem Beitrag zu Geschichte und Aufgabe seiner Disziplin klar. Am kulturpessi mistischsten ist Harald Weinrichs Schlußbeitrag in Form einer satirischen Variation auf das Grimmsche Märchen vom Hans im Glück, der den Schatz der Weimarer Klassik über die bekannte Kette von Tauschgeschäften immer wieder entäußert – vom „Allspeak-Esel“ bis zum „dummen Denkschreiber“. Zur Differenziertheit der vorangegangenen Beiträge will das nicht so recht passen, aber vielleicht stimmt, was Christian Meier in seiner Einleitung dazu vermerkt: „Übrigens sind es Engländer, die sich darüber amüsieren“ (S. 13).
Ein gerade für wissenschaftliche Texte typisches Phänomen scheint der Aufmerksamkeit der Autoren entgangen zu sein, nämlich der übermäßige und nicht immer erhellende Gebrauch von Fremdwörtern ganz allgemein. Für den Leser aber wirkt es etwas eigenartig, wenn sich gerade in einem Beitrag, der für eine „eigene Sprachmoral“ wirbt, die vernünftige und umsichtige „Verdeutschungsmöglichkeiten“ im Auge behalten soll (Jörg Drews, S. 29), gehäuft Begriffe finden wie „vokabuläre Indizien“, „affiziert“, „tingiert“ oder „Purgierung“, auch wenn sie im Geiste eines „urbanen Sprachpatriotismus“ gedacht sein mögen.