Stadt der Verlierer spielt ironisch mit den Versatzstücken des Kriminalromans, der suggeriert, dass die Welt noch in Ordnung ist und die Ermittler durch mehr oder weniger rationale Analyse das Böse zur Strecke bringen. Emma, die Detektivin, eine Altertumswissenschafterin, deren Vorlesung „Alexander der Große, ein typischer Vertreter des Machismo“ an der Universität Wien wegen zu geringer Hörerzahlen eingespart wurde, hat im Wifi passende Kurse belegt und mit Mick Hammerl, einem allergiegeplagten, nicht gerade streetsmarten Frisör, ein Detektivbüro aufgemacht. Sie hat ihre eigenen Probleme. Ihr Sohn bewundert die geschäftstüchtige, der Esoterik zugetane, egozentrische Großmutter. Der von Altersdemenz befallene Vater bastelt nazi-deutsche Kriegstechnik und „furzt, sagt Philipp“, Emmas Sohn. In seinem Zimmer stinkt es. „Alles ist verdreckt. Er patzt sich mit Essen und Klebstoff an.“ Sie wird bekocht von einer Pathologin. Buntes Leben halt, und wie im Privatleben gibt es auch in den Fällen der Detektive nur beschränkt stringente Kausalketten.
Es gibt kaum eine Autorin im deutschsprachigen Raum, in deren Büchern es so farbig zugeht. Faschinger steht die ganze Palete zur Verfügung. Weinrot, golden, weiß, rot, schwarz, dunkelrot, orangefarben, rotblond, bläulich, dunkelblau, rosa wird etwa bei der Beschreibung des Auffindens jener wie tot daliegenden Frau aufgetragen, die an Schneewittchen erinnert, von der dann aber Gestank ausgeht, die „in ihrer eigenen Scheiße, in ihrem eigenen Urin“ liegt, und an deren Kinn getrocknetes Erbrochenes klebt. Das Bunte kippt schnell einmal ins Schwarze.
Den Fund macht der dreißigjährige Matthias Karner, der von Gelegenheitsjobs lebt, aus seiner Verachtung für jene Frauen, die ihn aushalten, keinen Hehl macht und zynisch sein Leben und seine Weltsicht vorstellt. Sein Übervater ist Bruce Springsteen, dessen Lieder er auf der Gitarre klimpert. It’s a town full of losers / And I’m pulling out of here to win. „Genau wie Wien […] Verlierer und Verrückte. Egal, wo man hinging, sie waren überall.“ Vera Suttner, die schöne Scheintote aus dem Lainzer Tiergarten, tritt zur gleichen Zeit in sein Leben wie die leibliche Mutter, die Emma & Mick mit der Suche nach ihrem zur Adoption freigegeben Sohn beauftragt. Die beiden Frauen könnten sein Leben verändern, es kommt jedoch anders.
Vera besucht ihren Retter in seiner Absteige. Er, der nur für seine Adoptivschwester etwas empfinden kann, scheint zum unglücklichen Schneewittchen eine Beziehung zu entwickeln und wird durch sie auf die Spur seines Zwillingsbruders, der bei der Mutter aufwuchs, gebracht. Der Bruder „hatte sein Studium in kürzester Zeit abgeschlossen, sein bisheriger Werdegang war ein einziger Triumph, eine Orgie von Preisverleihungen. […] Ein Gewinner. Supermann.“ Matthias, dessen Lebenserfahrung in der Erkenntnis kulminiert: „Es gab nur Ausbeuter und Ausgebeutete. Und die Wiederholung der Ausbeutung. Mehr war da nicht.“, schlittert in die Katastrophe.
Der Roman wird in einer Doppelperspektive erzählt. Raffiniert bietet Faschinger das Leben des Ich-Erzählers Matthias zur Identifikation an, während von Emma und ihrer Umgebung ein neutraler Erzähler berichtet.
Fazit: Eine bunte und deshalb auch angenehm zu lesende Studie einer (?) psychotischen Persönlichkeit und ihrer Stadt, geschrieben ‚med ana schwoazzn dintn‘.