#Roman
#Prosa

Stark wie ein Nagel

Alexander Widner

// Rezension von Karin Cerny

„Menschen, die die unselige Gabe der glücklosen – einseitigen – alles auf sich nehmenden Liebe haben, entwickeln geradezu Genie bei der Wahl der ungeeigneten Objekte.“ Dieses Zitat von Marina Zwetajewa stellt Alexander Widner seinem Roman voran. Stark wie ein Nagel ist jedoch keine Liebesgeschichte im verklärend romantischen Sinne und handelt daher auch nicht von einer Liebe, die durch Opfer nur um so größer wird. Im Gegenteil. Gerade die falsche Objektwahl macht das Leben immer enger, kleiner und sinnloser. Der Roman erzählt von den Folgen einer fatalen Partnerwahl in ganz lakonischem Tonfall, so als ginge es darum, eine Bestandsaufnahme oder das Protokoll eines unglücklichen Daseins aufzuzeichnen.

Es ist zuvorderst die Geschichte einer lieblosen Ehe. Die „Frau“, aus einer ehrgeizigen Familie mit künstlerischen Ambitionen kommend, selbst untalentiert, heiratet ein verschlamptes „Genie“: „Klasse am Klavier, nach Dirigiererfolgen in Graz erste Auftritte in Wien. Prächtigste Zukunftshoffnung, sagte man.“ (S. 7) Hoffnungen, die allerdings nie in Erfüllung gehen. „Seine Faulheit war so groß wie seine Begabung. Wo er sich hätte plagen müssen, da ist er zurück.“ (S. 17), sagt die Frau. Der Mann eckt überall an. Es folgen der Abstieg in die Provinz, die Geldsorgen, von denen der Mann nichts hören möchte, die Schläge und Gewalttätigkeiten im Ehealltag. Die Frau sorgt für das Geld und den Haushalt. Der Mann geht fremd.

Widners Variante vom wunschlosen Unglück blättert das Leben einer Frau auf, die stets nur für andere geschuftet und sich ihre Unzufriedenheit mehr oder minder erfolgreich ausgeredet hat. So als ob alles Unglück einem bösen Schicksal zuzuschreiben sei, das man einfach über sich ergehen läßt.

Die Stärke des Romans liegt in seiner enormen sprachlichen Genauigkeit, seiner knappen, berichtenden Erzählerstimme einerseits und den direkten Zeugnissen andererseits – sowohl die Frau, als auch der Mann erzählen in direkter Rede aus ihrem Leben. Die Sprache ist dann dem mündlichen Tonfall angeglichen.

Widners Romanfiktion wirkt stringent und glaubwürdig, fast dokumentarisch. Als hätte er gefundene Zeugnisse montiert, als betreibe er mit literarischen Mitteln Geschichtsforschung. Kurz vor ihrem Tod sagt die Frau: „Von einem glanzvollen Dasein hab ich geträumt. Aber geblieben sind nur Trümmer.“ (S. 120) Alexander Widner versammelt diese Trümmer in seinem polyphonen Roman. – Stark wie ein Nagel ist bereits 1996 erschienen, sollte aber keinesfalls in Vergessenheit geraten.

Stark wie ein Nagel. Das Buch vom stille stehenden Leben.
Wien: Deuticke, 1996.
124 Seiten, gebunden.
ISBN 3-216-30250-4.

Rezension vom 28.05.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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