Lyrische Gemeinplätze werden zerlegt und neu konfiguriert, Kollokationen in ihre lexikalischen Bestandteile aufgelöst und sodann in neue Zusammenhänge überführt. Was bleibt, sind Sinnsplitter, die aus losen Begriffsfeldern aufleuchten.
Was bleibt, sind freilich auch Reim, Metrum und Strophe. So modernistisch sich also einerseits der Czernin’sche ‚Neusprech‘ geriert, so konservativ erscheint der Aufbau seiner Gedichte. Kein Zweifel: Czernin bedient sich der Tradition, kennt ihre Namen und Stile, wie er augenzwinkernd zu verstehen gibt: „schürft die verwandtschaft sich nicht tief in ihre dichter?“
Wenn hier Wesenhaftes dieser Dichtung benannt wird, dann müssen wir freilich auch ihre Musikalität, ihren Sang und Klang in Rechnung stellen. Was Czernin dank seiner lyrischen Magie zustande gebracht und bedachtsam in diese staub.gefässe geleert hat, vereitelt aufgrund seiner komplexen Assoziationsmacht jeden leichthin unternommenen Rezeptionsversuch. Der Dichter tritt nämlich auf als Interpret eines neuen, unerhörten Gesangs, und an diesen müssen wir uns erst gewöhnen, wie Martin Mosebach im beigefügten Essay andeutet: „[…] der deutschen Sprache werden Töne entlockt, zarte ebenso wie auch äußerst rauhe und krasse, die bis dahin vielleicht noch nie zu hören waren“.
Diese Lyrik ist Musik und lehrt uns nichts. Sie hebt und senkt, alliteriert und reimt. Sie spricht (spricht sich) und erklärt nichts – fast nichts. Sie ist absurd und von daher metaphysisch: Wäre dies der philosophische Fehdehandschuh einer kommenden Lyrik? Dem Leben abgelauschter und formal bezwungener Absurdismus? Gleichviel, wer aufhört – dies sei zum Trost gesagt –, um Bedeutungsangebote zu feilschen, dem geht der Glanz dieser Lyrik endlich auf.
Dass Czernin so manchen Konkurrenten um Haupteslängen überragt, mag die Betroffenen enervieren. Aber wer unter den zeitgenössischen Lyrikern vermöchte es mit den meisterhaft nachgedichteten und ins Czernin’sche übertragenen Shakespeare-Sonetten aufzunehmen? Wem im deutschsprachigen Raum gelänge diese sublime Tour de Force? Sich zwischen Tradition und Moderne einspannend, lotet Czernin gerade in dieser stringent durchkomponierten Subgattung seine Möglichkeiten und Grenzen aus. Sie verdienen wie der Band als Ganzes unsere volle Bewunderung.
staub.gefässe ist die schmerzlich schöne Summa eines Einzelgängers, der in fernen lyrischen Gewässern navigiert. Sein Eigensinn hat Sinn, hat sich gelohnt. Halten wir uns an dieses Beispiel.