Obige Charakteristik trifft auch auf die im Sammelband Stücke 3 vereinten Werke zu. In der Löwengrube macht ein jüdischer Schauspieler im Nationalsozialismus Karriere, weil er eine neue Identität annimmt: er mimt ein „Urviech“ aus Tirol, jene, die ihn als Juden schmähten, zollen ihm nun Beifall. Abraham ist eine Auseinandersetzung mit Homosexualität, Aids und vor allem mit der Nichtanerkennung der betroffenen Menschen in ihrem sozialen Umfeld, Das Fest der Krokodile zeigt vom Krieg zerstörte und gestörte Persönlichkeiten, Die Frau im Auto einen erfolglosen Kampf gegen Ungerechtigkeit. Krach im Hause Gott spricht die Stellung der Frau in Kirche und Religion an, Jungfrau Maria wird als Unterdrückte im Hause Gott dargestellt.
Auch das Lieblingsthema Tirol ist stark vertreten: Das wunderbare Schicksal erzählt die Geschichte des Bauernbuben Koppen-Peterl, der nach Wien zu Kaiserin Maria Theresia geht, sich ein Branntweinhäuserl schenken lässt und schließlich in Bayern als Hofnarr verdingt, Das Spiel im Berg, Die drei Teufel oder die Die Geierwally verweisen auf (dunkle) Legenden, Lokalberühmtheiten und -katastrophen.
So unterschiedlich die Stücke und Themen auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: die Schwachen und Unterprivilegierten, von der Gesellschaft Ausgestoßenen oder Verachteten stehen im Mittelpunkt. Mitterers literarische Verarbeitung sozialpolitischer Anliegen fungiert gleichsam als Sprachrohr für jene, die sich selbst nicht (mehr) äußern können. Und die Handlung der Stücke basiert sehr oft auf wahren Begebenheiten, die in der freien künstlerischen Gestaltung Modellcharakter erlangen.
Interessant ist auch die Entstehungsgeschichte der Texte, die in diesem Sammelband transparent gemacht wird. Jedem Stück ist ein Vorwort des Autors vorangestellt, in dem er den jeweiligen Schreibanlass kommentiert. Immer wieder kommt es vor, dass jemand an Mitterer mit der Bitte herantritt, über ein bestimmtes Thema ein Stück zu schreiben. „Abraham“ ist etwa so entstanden.
Zwei Stücke sind überhaupt nur in diesen vorwortartigen Kurzbeschreibungen vertreten: Das Spiel im Berg und die Geierwally. Letztere „gehört nun einmal den Lechtalern, so soll es auch bleiben.“ Und das Manuskript des ersteren ist verlorengegangen. Bei beiden „funktioniert das Geheimnis und die Verzauberung nur bei der Aufführung an diesem besonderen Ort und mit diesen besonderen Darstellern. Beim Lesen würden Kraft und Unschuld des Stückes weitgehend verlorengehen.“ So mag es wohl sein. Der Leser kann es nicht beurteilen und wird trotzdem neugierig. Ergänzt wird der Band durch zahlreiche Szenenfotos, die die angesprochenen örtlichen Besonderheiten erahnen lassen.