Suche nach M. spürt im Rahmen von zwölf lose miteinander verwobenen Episoden vor allem der verstümmelten Identität der jüdischen Opfer und ihrer Kinder nach.
Der rote Faden der Geschichte ist stellenweise sehr dünn. Er überbrückt nichtsdestotrotz die Sprünge in Raum und Zeit – der Leser wird gleichsam vor- und rückkatapultiert über die fünf Jahrzehnte der Nachkriegszeit. Das allein mutete nicht so verwirrend an, wären da nicht die sich immer wieder die Hand reichenden Schicksale zweier jüdischer Familien, die den Faden beinah reißen lassen, nichtzuletzt durch die die Logik dieser quasi-Detektivgeschichte gefährdenden ständigen Namenswechsel einzelner Romanfiguren. Darin manifestiert sich wohl am deutlichsten eine Identitätskrise der Opfer, die sich durch bewußten oder unbewußten Mangel an Kommunikation schließlich auch auf die nachfolgende Generation überträgt. Die Unsicherheit auf Seiten der Väter führt in eine mehr als abenteuerliche Konstellation, was den Werdegang der Söhne betrifft. Mütter und Töchter – das sei nur am Rande vermerkt – spielen im Grunde wenn überhaupt nur Komparsenrollen.
Die Väter, Jakob Fandler alias Jakob Scheinowiz alias …, der durch die Annahme eines fremden Namens den Deportationen während des Zweiten Weltkrieges entkam;
Vater Morgenthau spricht zwar mit den Familienangehörigen über die Schrecknisse des Holocaust, die sie am eigenen Leibe erfahren haben, hüllt sich allerdings seinem Sohn gegenüber in mystische Verschlossenheit, die nicht die richtigen Worte findet.
Die Söhne: Arthur Arieh Fandler alias Scheinowiz alias Bein, „Spürhund“ der besonderen Art (nach einem „unabsichtlichen“ Totschlag Flucht aus Österreich und Spezialagent des israelischen Geheimdienstes).
Dani Morgenthau wiederum, die Reinkarnation des Schuldkomplexes schlechthin, bringt mittels zwanghafter Schuldbekennungen und -geständnisse die wahren Täter zur Strecke.
Die Fähigkeit des einen ist es also, gleich einem Chamäleon sein Äußeres dem des noch unbekannten ideologischen Feindes anzugleichen. Der Zwang des anderen, fremde Verbrechen auf sich zu nehmen – ein Zwang übrigens, der psychosomoatische Folgen zeitigt: Dani Morgenthau mutiert aufgrund eines Ausschlages, der sich über seinen ganzen Körper erstreckt, zur Anonymität des Mullemanns (M. aus dem Titel?), einer lebenden Mumie also, deren Äußeres nur noch aus Verbänden zu bestehen scheint.
Die Handlung spitzt sich zu in dem Moment, als Arieh auf die Figur Mullemanns aufmerksam wird, der – nur durch eine Krankenhauswand von ihm getrennt – Morsezeichen gibt. Auf der folgenden Suche wird doch eines klar, daß beide zusammen ein Schuldenkonto verkörpern, das dem Verbrechen insgesamt, nicht bloß dem an einer bestimmten Glaubensgemeinschaft, die Rechnung präsentiert.
Die gleichnishafte Geschichte driftet immer mehr in eine unwirkliche Dimension ab, die dem Bösen in der Welt letztlich durch Zauberei beizukommen sucht.