#Prosa

Süße Büsche

Margret Kreidl

// Rezension von Wolfgang Straub

Die 1964 in Salzburg geborene, in Wien lebende Schriftstellerin Margret Kreidl scheint sich in den letzten Jahren auf ihre unkonventionellen Arbeiten für das Theater zu konzentrieren. Dazwischen schreibt sie immer wieder Prosa, wobei sich ihre Texte stets durch ein gehörig Maß an dramatischen Elementen auszeichnen, ihr Buch „Ich bin eine Königin“ (1996) versah sie etwa mit der Gattungsbezeichnung „Auftritte“.

Dramatik trifft auch auf die im Wiener Kleinverlag „Das fröhliche Wohnzimmer“ erschienenen kurzen Etüden Kreidls zu. War das Szenario in „Schnelle Schüsse“ (1996) allein schon durch die ständig knallenden Schüsse im herkömmlichen Sinn dramatisch, so wird im jüngst erschienenen Süße Büsche vor allem Sprache in Szene gesetzt. Schon im ersten Büchlein dieser „Serie“ (nicht nur die ähnlich lautenden Titel legen eine Zusammengehörigkeit nahe) verwertete die Autorin vorgefundenes Sprachmaterial – alpine und touristische Paradigmen aus Heimatfilm und -roman. In Süße Büsche setzt Kreidl mehr auf Invention, wenn auch erneut „found footage“ als Grundlage dient.

Das Büchlein ist trotz aller lockerer Lautmalerei streng strukturiert. 13 höchstens einseitige Abschnitte, die das in der Überschrift genannte Umfeld sprachspielerisch und inventorisch umkreisen, werden in gewissen Abständen von drei längeren, jeweils „Reiten“ betitelten Passagen unterbrochen, die vorgefundenes Sprachmaterial verarbeiten; eine Art Epilog bildet die abschließende epigrammatisch aufgebaute „Studie“. Es wird nicht sofort klar, welche dominante Konnotation sich hinter dieser geschickten Konstruktion verbirgt. Dem Titel des Buches, aber auch jenem des ersten Abschnitts nach könnte man meinen, es mit reinem Naturwuchs zu tun zu haben. „Blüten“ setzt mit onomatopoetischen Lockerungsübungen im Wortfeld zwischen „Blüten“ und „Büschel“ ein: „Gefüllte Blüten Blütenbüschel. Gefüllte Blüten bilden Büschel füllige Blütenbündel. Gefüllte Blüten in Büscheln blühen früh.“ Doch spätestens der zweite Abschnitt, „Stengel“, macht klar, daß hier nicht nur Pflanzliches, sondern auch die Metapher wächst. Zwar würden die Sätze wahrscheinlich auch in einem Botaniklehrbuch durchgehen, aber die Konnotation ist nun bereits eindeutig: „Der Stengel ist rund, rosa oder rot, am Grund purpurrot. Steif, schlank und lang.“

Dieser anatomisch-botanischen Einführung folgt die erste Paarstudie, Kreidl fängt schlicht am Anfang an: „Adam und Eva“. Er und sie betrachten und begrapschen einander – ein Paar, das Adam und Eva spielt. Margret Kreidl läßt dementsprechend die Wörter, elliptischen Satzfetzen und Kurzsätze einander bespiegeln und sich umranken, Assonanz und Alliteration sind dabei der Dünger. „Deftig und heftig geht es zu“, schrieb Petra Nachbaur zu „Schnelle Schüsse“, das gilt unumwunden auch für den Neuling, man/frau geht zur Sache. Aber die Süßen Büsche sind keine Pornographie, dazu ist der Text zu artifiziell, es handelt sich höchstens um ein Spiel mit Pornographischem. Diese „künstlerische Künstlichkeit“ führt jedoch zu keiner Sterilität, dazu nimmt Kreidl ihr Thema zu wenig ernst. Sie scheint nach einem „Prinzip des Beinahe“ zu arbeiten: Obszönes wird genannt, ohne gleich obszön zu sein; das sprachliche „found footage“ bleibt erkennbar, wird aber in den poetischen Korpus eingeschliffen; auch stilistisch überwiegt die Spielfreude vor strengem Reglement – etwa bei Beinahe-Anagrammen („Ilse und Liesl“) oder den Annäherungen an monovokale Texte („Otto onaniert. Oma lobt Ottos Kolben Pfosten Stoßstange.“ – Jandl grüßt aus der Ferne). Kreidl schafft es, daß diese Nonchalance niemals schluddrig oder ungenau wirkt und ihre Sprachbüscheln dabei dicht und genau gezeichnet sind.

Kreidl spielt alle Paarvarianten durch, reißt noch die Themen Slip oder Sadomaso an und beschließt den Text, dem „botanischen Einstieg“ entsprechend, mit Naturstudien, die nach gut zwanzig Seiten Eindeutigkeiten nur mehr in erotischer Konnotation gelesen werden können („Fleischige Blüten mit häutigen Tragblättern.“ „Hüllkelch, trockenhäutig und weißlich.“). Dazwischen schiebt sie dreimal den Kaffeetratsch dreier Frauen, deren Namen auf die Herkunft ihres Gesprächsinhalts verweisen: „Brigitte“, „Petra“ und „Tina“ handeln im Stil von „Beratungsseiten“ deutscher Frauenzeitschriften das Thema „Reiten“ ab, wobei streckenweise durchaus auch die auf dem Rücken eines Pferdes ausgeübte Fortbewegungsart gemeint sein kann. Nur einmal wird – meinem Geschmack nach (und Geschmäcker dürften in Sachen Erotik besonders differieren) – die durchgehende Balance aus Lockerheit und Komposition, die wie nebenher viele witzige Blüten treibt, verlassen: Ein Abschnitt adaptiert Werbeprosa („Erfahrene Damen verwenden Kamasutrapuder.“), als einzige Passage wird hier vornehmlich inhaltlich gearbeitet, leider wirkt das aufgesetzt und überbetont witzig.

Alles in allem darf man nach vergnüglicher Lektüre gespannt sein, was Margret Kreidl nach diesem kleinen, feinen Erotikon als nächstes heftig und deftig zu bearbeiten gedenkt.

Margret Kreidl Süße Büsche
Miniaturen.
Wien: Das fröhliche Wohnzimmer, 2000.
30 S.; brosch.
ISBN 3-9000956-46-4.

Rezension vom 25.07.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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