Zwischen fixer Vergänglichkeit und Fixierung im Vergänglichen wird das Leben Carl Armandolas dargestellt. Und das Verschwinden des Dichters ist keine Marotte oder Kulthandlung, sondern die logische Konsequenz aus den Texten der Sammlung, die nicht umsonst „Täuschung“ benannt ist. Carl Armandola, 1932 in Mödling geboren, ging 1951 nach Kanada und kehrte 1964 nach Mödling zurück, „wo er sich mit der Arbeit der Hände den Kopf freischaufelte“.
Täuschung besteht aus 52 literarischen Ereignissen, die man je nach ihrer Erscheinungsform gruppieren könnte um Begriffe wie Fahrscheinkollagen, Schiffs- und Meeresgedichte, Texte vom Transatlantik und interstellare Konzeptionen.
Die Meeresgedichte aus den fünfziger Jahren wirken aus der Entfernung wie ein Zwilling von Karl Krolows Reise-Gedichten. Vergänglichkeit, Wellen, Weite aus Tang und Ruderschatten evozieren ein permanentes Fortdriften in fremde Gegenden. Häfen und Küstenmarkierungen sind nur Vororte jener Kälte, die permanent von den Bergen fließt. In der lyrischen Dia-Show sieht man manchmal auch Polizisten im Streifenwagen auf ein Verbrechen warten, während ein Luxusdampfer kurz die Sicht auf das Gerichtsgebäude verstellt.
Ein größerer Gedichte-Komplex „spielt“ in den Weiten Kanadas, der Mississippi rattert wie Eisenbahnschwellen, San Francisco liegt hinter einer Regengischt und „DAS ECHO IST NICHT ZU FINDEN“ (S. 62)
Zwischen diesen Gedichtzyklen sind Kollagen aus der Welt des Zirkus und des Varietés gestellt, absurde Skulpturen aus geklebten Schattierungen. Oft sind entwertete Straßenbahnfahrscheine gleichzeitig Fundament und Bauplan für eine zweidimensionale Skulptur.
Im letzten Abschnitt der „Täuschung“ liegen Konstellationen mit Schreibmaschinen-Typen ausgebreitet. Manche Gebilde gleichen Ausschnitten gigantischer Sternenkarten, in der Weite des „Typo-Space“ verliert sich jede menschliche Regung und mündet in Erkenntnisse wie „There is nothing we can do about it“ (S. 71). Aliens kriechen in Buchstabenformation über das Papier, und aus heutiger Sicht ist man an ein perfides Virenprogramm erinnert, das in gemächlichem Tempo sämtliche Botschaften auf dem Bildschirm vernichtet.
Die Textsammlung des verschollenen Carl Amandola klingt wie ein Gruß aus ferner Zeit, den der Herausgeber im literarischen Kosmos aufgeschnappt hat.
Wenn es in der Literatur so etwas wie eine Rotverschiebung der Texte in Richtung „Schwarzes Loch“ gibt, dann ist „Täuschung“ ein poetischer Kommentar zu einem derartigen Phänomen.
Am Umschlagfoto verschwindet denn auch das Halbgesicht Armandolas hinter dem Kernschatten eines Apollinaire-Bandes.