René Grohnert liefert eine kurze Einführung, die man sich durchaus ausführlicher gewünscht hätte. Er beschreibt die Entwicklung von den frühen Anschlagzetteln der fahrenden Truppen im 16. Jahrhundert bis zu den komplexen Versuchen unserer Tage, den Inhalt von Theaterstücken zu visualisieren.
Den großen Aufschwung brachten die technische Fortschritte der Druck- und Reproduktionstechnologie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, als generell alle Werbemittel immer bunter und aufwändiger wurden. In der Plakatkunst war Paris führend, Jules Cléret gilt als Schlöpfer des modernen Plakats, auch wenn ihn der Ruhm eines Toulouse Lautrec oder eines Alfons Mucha – vertreten mit seinen Starplakaten für Sarah Bernhardt (1893/94) – heute überschattet. Nach 1900 lag ein künstlerischer Schwerpunkt dann in Berlin, mit expressionistischen, später neusachlichen und auch dekorativen Konzepten. Dem ästhetischen Kahlschlag im Nationalsozialismus folgt der Neubeginn nach 1945 und die unterschiedlichen Entwicklungen in Ost und West.
Die 115 abgebildeten Plakate vermitteln einen Eindruck der künstlerischen Möglichkeiten und zeigen auch den schwierigen Ausgleich zwischen den Polen Werbung, Ästhetik und Information, der permanent neu verhandelt sein will. Was die österreichische Literatur betrifft, ist die Präsenz eher bescheiden. Ein martialisches Plakat für Karl Schönherrs Volk in Not vom Deutschen Volkstheater Wien 1916 „unter dem hohen Protektorate Sr. k. u. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Karl Stefan“ (S. 44) findet sich etwa oder ein früher Anschlagszettel von 1846, mit dem das „Landständische Theater in Linz“ die Premiere der Tanzpantomime Das Zigeunermädchen (S. 24) ankündigt; Ernst Klimt – der gemeinsam mit Bruder Gustav die Deckenfresken im Wiener Burgtheater schuf – ist mit einem sehr klassischen Plakat zur „Internationalen Ausstellung für Musik und Theaterwesen Wien 1892“ (S. 26) vertreten. Beeindruckend ist ein polnisches Plakat aus dem Jahr 1997 zu Karl Kraus‘ Die letzten Tage der Menschheit (S. 99) und auch eines aus der BRD 1968 zu Franz Kafkas Prozess (S. 73).