Was man im engeren Sinn unter „Gattungstheorie“ versteht – und hierzu muß wohl auch angemerkt werden, daß sich seit K. Hempfers elementarer Untersuchung (1973) keine wesentlich neuen Dimensionen auf diesem Sektor aufgetan haben -, wird bei Horn im 10 Seiten umfassenden Kap. I. „Probleme der Gattungstheorie“ abgehandelt, wobei der Autor gängige Systematisierungsversuche (von Hegel über Bühlers Sprachfunktionentheorie bis zu den Ansätzen von Kayser, Staiger, Hamburger und der Chicagoer Schule) referiert. Daß Gattungsbegriffe als Kennzeichen von Merkmalskombinationen prinzipiell auch anders ausfallen könnten als in Form der anschließend dargelegten Trias, gerät nicht in den Blick; Gattungen sind für Horn „übergeschichtliche Eigentümlichkeiten geschichtlicher Werke“ (S. 16). Die aus Gründen einer didaktischen Heuristik durchaus vertretbare Dreigliederung scheint sich hier allzu sehr aus einer ontologischen Dimension des Gegenstandes herleiten zu wollen.
Die Folgeabschnitte (II. „Theorie der Lyrik“, III. „Theorie der Epik“, IV. „Theorie des Dramas“) bieten eine Übersicht über die bisherigen Zugänge zur Begründung und Bestimmung resp. Beschreibung der einzelnen Gattungen. Verschiedene Passagen weisen – dies mag die Empfehlung als Lehrbuch etwas relativieren – einen doch recht unterschiedlichen Schwierigkeits- bzw. Dichtegrad auf; die Ausführungen nach Plett und Jakobsen über Lyrik etwa (vgl. S. 23) oder jene nach Todorov u. Bremond zur Erzähltheorie (vgl. S. 70ff.) erfordern natürlich mehr rezeptive Aufmerksamkeit oder verstärkte Anleitung seitens des Lehrenden als etwa Darlegungen zum „dichterische[n] Bild und seine[n] Hauptarten“ (S. 44 ff.) oder zu Rhythmus und Metrik. Ein hervorhebenswertes Detail in Zusammenhang mit dem Lyrikkapitel ist jedenfalls der Hinweis auf den etwas in Vergessenheit geratenen, aber noch immer mit Gewinn lesbaren Aufsatz von Heinrich Lützeler Die Lautgestalt in der Lyrik von 1935. Hingegen sind die Ausführungen zum Lyrischen Ich (vgl. S. 54f.) doch recht dürftig ausgefallen und stützen sich keineswegs auf einen neueren Forschungsstand, selbst H. Gnügs grundlegende Untersuchungen zu dieser Thematik bleiben unberücksichtigt. Das Kapitelchen „Dichtet der Lyriker spontan oder reflektiert“? (S. 57f.) wäre dafür ohne weiteres entbehrlich. Der Durchlauf durch Epik- und Erzähltheorien bringt – im Sinne des Untertitels – durchwegs gute und nützliche Kondensierungen zu Grundfragen dieser Gattung wie Geschichte, Gestalt, Zeit, Erzähldiskurs u. a. Die Bestimmung des Ästhetischen allerdings als „Schein der Unabhängigkeit, des Nur-von-innen-bestimmt-Seins, […] da Selbstbestimmung, Freiheit ästhetisch ist, sobald sie in die Sinne fällt“ (S. 114) wirkt nicht nur von der Diktion her ein wenig angegraut. Auch die Begründung der Kunst als einer Kompensationsleistung – Kunst gibt es demnach, weil die „‚Lebenswelt‘ nicht je schon ästhetisch“ ist und „der Mensch offenbar Ästhetisches braucht“ (S. 160) – verdient (zumindest in dieser Allgemeinheit) in Zweifel gezogen zu werden. Auch Horns Darstellung des Dramatischen ist eher an traditionellen Auffassungen (bes. Hegel, vgl. S. 180) orientiert und stellt die „Konflikthaftigkeit“ ins Zentrum. Diese scheint ihm in M. Pfisters epochemachendem Buch zur Dramenanalyse (1973) ausgeklammert, wodurch dieses „die Wesenserkenntnis des Dramas verarmen“ (S. 184) lasse.
Prinzipiell erkennt Horn am Drama, daß es trotz möglicher Epizität eine „’natürliche‘ […] Tendenz zur handlungsmäßigen und raumzeitlichen Geschlossenheit“ (S. 172, vgl. a. S. 174) aufweise. Dergleichen Ausführungen können aber nur insofern einen gewissen Anschein von Schlüssigkeit erwecken, als der Autor die traditionellen Theorieansätze (bes. in bezug auf Lyrik und Drama) mit entsprechend herkömmlichen Beispielen illustriert (bei Lyrik etwa von Gryphius bis Weinheber), was bedeutet, daß sie für die typologische Erfassung moderner Literatur nur sehr bedingt tauglich sind. Auch insofern ist diese Gattungsübersicht, bei allem Gewinn, den es in Hinblick auf manch fruchtbare didaktische Anregungen bringt, als Kompendium für den heutigen Unterricht einfach zu konservativ. Zudem ist manche Spekulation, wie etwa die folgende, in einem Lehrbuch (aber auch außerhalb) nicht wirklich erhellend: „Euripides liess Amphitryon wahrscheinlich nicht darum sich selbst und seine Situation exponieren, weil er dies künstlerisch besonders gut, für die erstrebte ästhetische Wirkung besonders förderlich fand, sondern weil er – aus welchem Grund auch immer – nicht anders konnte.“ (S. 161)
Richtiggehend ärgerlich an diesem Buch ist der sorglose Satz, so etwa sind die Seiten 172 und 173 völlig ident, dafür ist beim Umbruch von S. 173/174 offensichtlich einiges verlorengegangen; Textverdopplungen finden sich gleichfalls auf den Seiten 10/11, 121/122, auch die Anzahl der Druckfehler scheint sich über dem Normalmaß in germanistischen Abhandlungen zu bewegen.