Thomas Mann, gravitätisch und steif, hatte einiges Talent, das öffentliche Interesse anzuziehen, und Freude daran, im Scheinwerferlicht zu stehen. Das geschah schon ab seinem dritten Aufenthalt in Wien, im Dezember 1913, als er nach der Lesung in der Urania von etlichen Schülerinnen um Autogramme bestürmt wurde.
Neun Auftritte in den Jahren 1919 bis 1929 verliefen glanzvoll, mit und ohne Aufführungen seines matten Stücks „Fiorenza“; sieben Termine zwischen 1932 und 1937 wurden auch zum Suchen einer neuen dauernden Bleibe verwendet. Wie schwer es dem mühsam zum Republikaner gewordenen Autor fiel, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, zeigt nicht nur sein langsames Losreißen vom nationalsozialistisch gewordenen Deutschland ab 1933; seine Versuche, in Wien ein Haus zu finden, sich ständig niederzulassen, sich mit hoher politischer Hilfe einzubürgern, zeigen TMs mäßig klaren Blick auf den Ständestaat. Österreichische Diplomaten waren da hellsichtiger und erkannten eine Gefahr von links in diesem Autor und warnten Wien vor zu viel Entgegenkommen. Zeder hat pikante Dokumente zu dieser traurigen Komödie gefunden.
Das Panorama dieser Jahre ist zeitbedingt breit: vom Verhältnis TMs zur österreichischen Sozialdemokratie, seiner „Rede vor Arbeitern in Wien“ zu den rigorosen Nationalismen und Eitelkeiten, politischen Beugungen und Stinkbomben der 1930er Jahre.
In den frühen 1950er Jahren sind es noch einmal vier Besuche in Österreich, die TM macht: drei in westlichen Bundesländern, um den Sohn Michael Mann zu besuchen, und einen in Wien. Die Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft sind noch nicht beseitigt, das Sensorium des alten Herrn aber sehr empfindlich auf Überbleibsel gerichtet; es ergeben sich entsprechend heikle Sezenen, auch in Wien, wohin der PEN-Club einlud; TM verhielt sich im Wiener Lokal-kalten Krieg „oft eiertanzartig, schonend nach beiden Seiten“; wieviel weniger hatte die Stadt zu bieten als zwanzig Jahre davor? Man schleifte ihn in die Premiere des Staats-Films „1. April 2000“, sofort von TM erkannt als „Ödes Schaustück von unerträglich alberner Handlung“.