Nachdem ein österreichischer Tiefbauingenieur Ende Februar 2011 aus Libyen gerettet wird, hängt er in Österreich vor dem Fernseher herum. Seine Baufirma wird ihn bald in ein anderes Land schicken. Als ab dem 11. März auf den deutschsprachigen Sendernrund um die Uhr die Fukushima-Katastrophe gezeigt wird, sendet lediglich die BBC einen kurzen Beitrag aus Libyen. Der Ingenieur sieht darin die Wasserleichen, die man in Kyrenaika gefunden hat, und glaubt den Bauträger Anton Corwald unter den Toten erkannt zu haben.
Daraufhin rekapituliert er, wer Anton Corwald ist bzw. war. Ein Mythos, der im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Er handelte geschickt Verträge aus: Corwald wusste instinktiv immer, so schien es, mit wem am besten Geschäfte zu machen sind. So auch mit al-Gaddafi. Als die libyschen Rebellen Oberhand gewannen, wendete er sich ihnen zu und verhandelte nicht nur den angestellten Europäern freies Geleit bis zum Hafen, von wo aus sie gerettet wurden. Unter diesen Mitarbeitern war der besagte österreichische Ingenieur. Doch Corwald wollte wohl mehr von den Rebellen – hat er sie unterschätzt? Wurde er deshalb wohl umgebracht? Sicher ist nur, dass er Wochen später weder im Büro noch auf seinem Handy erreichbar ist …
Autor Platzgumer, Jahrgang 1969, zeigt auf sehr eindrückliche Art zweierlei: die Medienhysterie und die Arroganz des Westens.
Die Medienschelte betrifft in diesem Fall die Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung über die Reaktorausfälle in Fukushima. Der Bürgerkrieg in Libyen kommt faktisch in den deutschsprachigen Sendern nicht mehr vor. Jede Berichterstattung ist auf Fukushima gerichtet, während die NATO „vor der Festung Europa“ die libyschen Rebellen unterstützt – doch keinen scheint es in jenen Tagen zu interessieren. Stattdessen erzeugt die Fukushima-Berichterstattung groteskerweise eine Hysterie – Geigerzähler und Jodtabletten etwa sind binnen Tagen ausverkauft. Eine medienerzwungene Angst, obwohl die Katastrophe 10.000 Kilometer weit entfernt ist, während es für die naheliegendere Katastrophe keinen Sendeplatz gibt.
Das zweite Hauptthema beschreibt eindrücklich die Arroganz des Westens. Platzgumer zeigt erschreckend genau, wie zum einen Expatriaten sich kaum für das Land, in das sie geschickt werden, interessieren. Mehr noch: Sie missinterpretieren Phänomene vor Ort. So glaubt der Tiefbauingenieur, dass er ständig von dem fliegenden Händler vor der Arbeitsstätte ausgenommen wird. Oder er beklagt sich über die Umweltverschmutzung, ohne jedoch die Armut der Bevölkerung zu sehen. Zudem verkennt er, dass gerade mit den westlichen Technologien noch mehr Umweltverschmutzung verursacht wird. Zusätzlich zeigt Platzgumer auf, wie der vermeintliche Wissenstransfer nur den Geberländern nutzt. Es wird kein Einheimischer auf der Baustelle eingestellt. Überspitzt gesagt: Platzgumer zeigt uns eine Abhängigkeit, die an die Fortführung des Kolonialismus denken lässt.
Bedauerlich nur, dass der Autor seine Sozialkritik nicht besser verpackt. Der Erzählstil ist distanziert und beinahe protokollarisch. Es bleibt vieles an der Oberfläche. – Schade! Denn eine Novelle könnte ja gerade Facetten über das Journalistische hinaus zeigen.
Dennoch: Mit Trans-Maghreb hält uns Hans Platzgumer mal wieder den Spiegel vor, wie verlogen die westliche Welt auf die „wahren“ Katastrophen schaut. Nämlich zu oberflächlich und zu kurz. Dieses Buch ist seine Rebellion gegen den Mainstream!