Tex Rubinowitz mag Menschen, vor allem solche mit großen Körperteilen. Die bringen ihn ins Philosophieren. Große Nasen etwa. In Rubinowitz‘ Welt tummeln sich Leute, die sich von ihrer Nase bedroht fühlen, wegen ihrer großen Nase den richtigen Riecher haben und Käseexperten werden oder einfach Informationen über ihre Nase brauchen. Manche stellen wiederum fest: „Meine Nase ist zu groß.“ Mehr nicht, aber auch nicht weniger.
Tex Rubinowitz interessiert sich nicht nur für große Körperteile, sondern auch für das, was aus diesen herausquillt. Rotz zum Beispiel. Eines seiner Geschöpfe kann sich gar nicht satt sehen an dem Anblick seines „liebsten Körperteiles“, des Rotzes eben. Der verläßt den Körper allerdings nur zu einem kleinen Spaziergang, um mit Informationen beladen wieder Richtung Gehirn zurückgesogen zu werden. Da werden ihn andere Gefährten beneiden. Etwa der arme Geselle aus Witz Nr. 86 (ca.), der auf der Suche nach einem Gleitmittel ist, das ihm ähnliche Kunststücke erlauben könnte. Geschäftstüchtigkeit beweist derjenige, der einfach seinen Rotz ein bißchen heraushängen läßt. Denn mit diesem kauzigen Merkmal kann er am Adolf-Hitler-Lookalike-Contest teilnehmen, wobei der Rotz statt des Hitlerbartes „praktischerweise die Faschismuskritik“ darstellen kann. Man muß sich zu vermarkten wissen.
Tex Rubinowitz mag auch Tiere. Spinnen, Gimpel, Igel. Letzterer – auch als „Kaulquappe des Waldes“ bekannt – dürfte es ihm besonders in der Version des „Igels mit Marshmellowstacheln“ angetan haben. Der Leser bedauert, nicht selbst Zeuge einer Begegnung mit dem erwähnten Tier gewesen zu sein, ist aber dann doch froh, daß uns wenigstens der Künstler davon zu berichten weiß. In vagen autobiografischen Andeutungen, die dann geschickt als „Novellen“ getarnt werden, führt uns der Meister zwischendurch in die bizarre Welt eines Taugenichts, der mehrmals aus seiner Apathie (die brütende Hitze eines Sommernachmittages!) gerissen wird. In der ersten Story lehnt der Held, ein bekannter Zeichner, den Auftrag des Schriftstellers Max Goldt (Verfasser des Bestsellers „Lesbische Küche nach 45“) ab, für ihn eine Spinne in Netzstrümpfen und High Heels zu zeichnen. In der zweiten Novelle wird er von einem Heckenschützen entführt, der sich nach gemeinsamem Höhepunkt beim Tanz das Leben nimmt. Zuletzt begleiten wir den Protagonisten („ist es wirklich Rubinowitz?“, fragen wir uns) in „Beverly Hills Cop III“ („die ersten zwei Teile hatte ich schon verpaßt, weil ich nichts anzuziehen hatte, und einen vierten würde es wohl nicht mehr geben, das hatte ich im Gefühl, und dieses trog mich nie“). Nach der Lektüre geht es uns wie nach dem Kinobesuch: „Hinterher wußte ich soviel wie zuvor und vernahm nur noch den Radau der Spatzen in der Luft.“
Tex Rubinowitz ist als Zeichner mindestens so bedeutend wie zé do rock als Schriftsteller („fom winde ferfeelt“). Es verwundert daher, daß die Wissenschaft Rubinowitz noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Und so harren wir noch immer der kritischen Untersuchung „Die Nase bei Gogol und Rubinowitz“, die uns die Lektüre des Meisterwerks mit Kommentaren erleichtern könnte. Oder aber wir suchen die Erlösung auf andere Art: „Ein Specht soll kommen und mich um den Verstand hacken.“