Bettina Balàka hat in ihrem jüngsten Roman Unter Menschen an der Schilderung eines bewegten Hundelebens die Geschichten der Menschen, die ihn jeweils ein Stück seines Weges begleiten, wie an einer Perlenschnur aufgefädelt. Lose sind die Erzählungen über die Herrchen und Frauchen miteinander verbunden – und am Ende schließt sich der Kreis, und alles wird (wieder) gut, zumindest für den vierbeinigen Helden, der aber genau genommen nur eine Figur unter vielen ist. Denn auch wenn die Herrchen und Frauchen nicht zuletzt aus der Perspektive ihrer Beziehung zu Tieren beschrieben werden, sind doch sie die eigentlichen Protagonist/innen des Romans. Und ja: sie alle hatten auch ein Leben vor dem Hund. Bettina Balàka holt zuweilen weit aus, um über diese bertilose Vergangenheit der Herrchen und Frauchen zu erzählen, und damit den Kontext und die Verstehensbasis für die gemeinsame Gegenwart zu liefern.
Dabei geht es nicht nur um die Beziehung dieser Menschen zum Hund, sondern auch um ihre Beziehungen miteinander und zum Leben. Wir lesen von tragischen und tragikomischen Vorfällen, Zwischenfällen, Schicksalen und Verstrickungen. Eine Mutter begegnet ihrem vor mehr als zehn Jahren entführten Sohn im Urwald von Bali, ein junger Mann glaubt in Brasilien die Liebe seines Lebens gefunden zu haben, eine junge Mutter macht ihr Leben zur Kolumne und ein Mädchen im Teenager-Alter sucht verzweifelt ihren verloren geglaubten Hund. Eine ungarische Familie wiederum züchtet Hunde, um sie auf österreichischen Autobahnparkplätzen zu verkaufen, während der Haushalt einer Buchhalterin zusehends zu einem Messie-Zoo verkommt und ein enttäuschter und betrogener Liebhaber sich so sehr gehen lässt, dass er schließlich an einem Zuckerschock stirbt.
Unter Menschen ist nicht zuletzt eine Geschichte von Schwierigkeiten, Schicksalsschlägen und Sehnsüchten und von der Art und Weise, wie verschiedene Menschen damit umgehen. Die einen rappeln sich auf, die anderen gehen unter. Die einen klammern sich an einen vierbeinigen Gefährten, wenn es mit den zweibeinigen nicht klappt, anderen ist der Vierbeiner im Weg, wenn der Zweibeiner sich querlegt. Manche sind unfähig zu jeglicher Empathie und wittern überall nur das Geschäft. Und andere gehen neue Freundschaften ein. Zu Menschen und zu Tieren.
Bettina Balàka begnügt sich keineswegs damit, die Menschenwelt aus der treuherzig-naiven Perspektive des Hundes zu schildern, sie seziert auch die – überaus unterschiedlichen – Perspektiven der Menschen auf den Hund und analysiert sie in ihrer literarischen Aussagekraft. Die auktoriale Erzählerin kann sich sowohl in den Hund als auch in die Menschen hineinversetzen und wahrt doch Distanz. Unter Menschen behandelt existentielle Fragen des Lebens und Liebens zwischen Egoismus und Selbstaufgabe. Es ist ein warmherziges, einfühlsames Buch, aber kein sentimentales. Es ist ein witziges Buch und ein trauriges. Es ist ein Buch, das man am Ende nur ungern zur Seite legt. Und ein Buch, über das man nach dem Lesen gerne noch eine Weile sinniert.