Während die Männer im Auftrag der Firma in Georgien unterwegs sind, laden sich die Hausfrauen gegenseitig zu albernen Cocktailpartys ein, bei denen auf schicken Tabletts Tee, Sekt und Kuchen gereicht werden. Albern deshalb, weil diese „Damennachmittage“, wie die Erzählerin Klara diese Treffen nennt, nicht in einem mondänen Vorort von Beverly Hills stattfinden, sondern mitten im Nirgendwo. In der Einöde des georgischen Grenzlands. Seit Klara dort wohnt, hat sie schon an die dreihundert solcher Nachmittage mitgemacht, ein Ende ist noch nicht in Sicht.
Dabei macht ihr Mann Manek gerade Karriere im Konzern, nicht nur wegen seiner Fähigkeiten, sondern weil es für den Firmenpatriarchen eigentlich keinen Nachfolger gibt; der hatte einem Dorfältesten einst das Geheimnis um die Schafsfette abgeschwatzt, die Grundlage seiner Firma, und hütet dieses Geheimnis mündlich bis zum bald zu erwartenden Tod. Seine Tochter Norma, die natürlich die beste Freundin von Klara ist, hat sich in den Schwerenöter Fredd verliebt und ihn geheiratet. Fredd hingegen, der wohl mit allen Damen, deren er habhaft wird, ein Verhältnis oder zumindest ein Techtelmechtel beginnt, ist ein Hallodri, dem die Zukunft des Konzerns nicht anvertraut werden kann. Derzeit hat sich Klara zu einer Liebelei überreden lassen, und während Fredd dieses Mal von Liebe spricht, hat Klara ganz andere Sorgen. Ihr Bruder aus Kindheits- und Jugendtagen, der nicht eigentlich ihr Bruder ist, sondern nur von ihrer Mutter miterzogen wurde, weil seine eigene früh gestorben war und sie beste Freundinnen waren, hat seinen Besuch in der georgischen Provinz angekündigt. Seit sie als Jugendliche den Fehler gemacht hat, mit ihm zu schlafen, haben sie sich nicht mehr gesehen. Und zu allem Überdruss kündigt der Konzern Klara an, dass ein georgischer Nachwuchswissenschaftler erwartet wird, der mitsamt seiner Frau in ihrem Haus übernachten soll; eine Ehre, konzernhierarchisch gesehen, eine ehrenvolle Aufgabe. Fehlt noch Tochter Mea und ein Stall im Garten, der von einem Schaf bewohnt wird, das vor Jahren über die Grenze geschmuggelt wurde.
Man merkt schon, das Setting von Bettina Gärtners Roman ist reichlich verwickelt und mutet wie das Skript jener erwähnten Abendserie rund um die gelangweilten Hausfrauen an; man denke nur an die Affären. Die Verwandtschaft von „Schafen“ mit dem Ausdruck „mit jemandem schlafen“ ist da vermutlich nicht ganz weit hergeholt. Während Klara mit Normas Mann schläft, hat sie gleichzeitig Angst, dass Norma ihr ihren Mann ausspannt. Trau, schau, wem. Es scheint, als wäre an diesem Ort im Osten, der gerade noch Westen ist, alles ein wenig mystisch und schemenhaft. Man weiß nie, wer etwas weiß, etwa der Sekretär des Konzernchefs oder die Empfangsdame, die traditionell ja in allen großen Firmen bestens vernetzt ist.
Klara wird auch noch dazu berufen, im Komitee für einen großen Empfang mitzuarbeiten, obwohl sie doch eigentlich nicht für den Konzern arbeitet, quasi nur indirekt zur Familie gehört. Das bedeutet in erster Linie, dass sie gemeinsam mit Norma handschriftlich die zahlreichen Einladungsbriefchen schreibt, ehrenamtlich natürlich.
Was Bettina Gärtner in ihrem auf den ersten Blick seltsamen, bei näherem Hinsehen spannenden Roman zeigen will, ist diese beklemmende Art von Abhängigkeit, in der sich stellvertretend für viele die Protagonistin Klara befindet. Diese Tretmühle aus Zwängen, die das kapitalistische Wirken einzelner Konzerne für Einzelmenschen sein kann, wird erschreckend klar gezeigt, sprachlich gekonnt bleibt Gärtner fast zu nah an ihrer Hauptfigur, die gegen Ende des Romans mehr in ihre Gedanken und Träume, auch in ihre Erinnerungen flüchtet. Das scheint für Menschen wie Klara, deren Alltag so stark fremdbestimmt ist, oft der einzige Ausweg zu sein. Und so beschließt sie, nicht mehr alles wahrnehmen zu wollen, nicht alles wissen zu wollen. Denn schließlich geht es am Ende ja nur um das Wohl des Konzerns, nicht wahr? Dieser Stern am Firmament, von dem alle abhängen.