Die Schilderung von Mantegnas perspektivischer Verwirrnis angesichts der Augenpaare der von ihm porträtierten Bellini-Brüder sprüht ebenso vor Fantasie wie jene von der Liebe Paolo dal Vecchios zur Linie, dem die Venezianer nicht zuletzt das Frühstücksmuster der Gmundner Keramik auf ihren Wangen und Hälsen zu verdanken gehabt hätten. Gleich ob nun die Vita des an Schlaflosigkeit früh verstorbenen Amilcare Sontini erzählt wird oder vom Phänomen der venezianischen Zeichensprache, Herbert Maurer zieht alle Register der Geschichtsverdrehung, der Irreführung auf dem sichergeglaubten Terrain der historischen Überlieferung.
Neue Genres wie etwa das der „Gesundheitsmalerei“ (Giuseppe Ventori) oder der „Geschwindigkeitsmalerei“ (Gianfelice Bassano), der „Temperaturkunst“ oder „Gemäldebäckerei“ (Giuseppe da Fiesole) finden ebenso Eingang in die Künstlerchroniken des Herbert Maurer wie die Beschreibung „grammatische[r] Segelkammern“ (S. 82) oder überlebensgroßer Landschaften, „die von den Schülern der Akademie für einige Tage kostengünstig bewohnt werden konnten“ (S. 88), um sich auf diesem Weg die Kunst der Perspektive anzueignen.
Da werden Malmaterialien, aber auch Gemäldeinhalte lebendig, auf der anderen Seite sehen Porträtisten wie Stefano Bonincini ihre Kunst darin, ihre Modelle einzufrieren. Stefanandri wiederum ließ sich die Überzeugung nicht nehmen, daß der menschliche Körper ausschließlich aus Meerestieren konstruiert sei.
Glaubt man Herbert Maurer, so war das Venedig der Renaissance ein groteskes Sammelsurium besessener Maler, die wiederum zum Spiegelbild ihrer Umgebung wurden. Zeitgenössische Moden wurden von ihnen ebenso vereinnahmt wie überholt.
Bleibt nur zu hoffen, daß ein solches Vivarium der Malerei, wie es von Herbert Maurer vorgestellt wird, die herkömmliche Kunstgeschichte nicht gänzlich verwirrt.