#Sachbuch

Vom Häkchen zum Haken

Werner Herbst, Gerhard Jaschke

// Rezension von Helmuth Schönauer

Was GPS (Global Position System) für die Welt ist, sind Werner Herbst und Gerhard Jaschke (Heja) für Österreich: Ein verläßliches Orientierungssystem in der heimischen Literatur. Werner Herbst und Gerhard Jaschke sind Dichter, Wortlaboranten, Literaturtheoretiker und Verleger, ihre Arbeit ist daher jeweils an der „ganzheitlichen Methode“ ausgerichtet.
Vom Häkchen zum Haken ist ein Kompendium mit sogenannten literarischen Duettduellen, man kann es als Nachlesebuch exzellenter Literaturabende nehmen, als Partitur einer politischen Permanent-Revue oder als Steinbruch für Slogans zu einem außerirdischen Wahlkampf.

Stoff für die Häkchen liefern Alltagsparolen aus dem gigantisch seichten Reich der Tagespresse, wobei bereits das Arrangement durch Herbst und Jaschke zu einer Erst-Entlarvung der Sätze führt, so daß jede genauere Analyse beinahe automatisch über den österreichischen Weg der Zwangsverdrängung zu jenem Humor führt, der durchaus auch „am Zahnfleisch geht“.
Vom Häkchen zum Haken ist eine pragmatische Deutung des Spruches vom Hänschen, das schlecht lernt; bei Herbst und Jaschke bricht das Häkchen, oder es wird zu einem ausgewachsenen Fleischerhaken.

Der Text entsteht durch Dauer- und Übermoderation, das vorgegebene Stück gleicht einer „Zeit im Bild“, in der es nur Doppelmoderationen ohne Beiträge gibt.
Theatralisch gesehen, lassen sich die beiden Akteure durchaus mit Wladimir und Estragon aus dem Stück „Warten auf Godot“ vergleichen, freilich haben sie (und das Publikum) beim Warten eine solche Hetz, daß es eine Enttäuschung wäre, würde Godot doch noch auf einen Sprung vorbeischauen.

Die „Duelle“ sind im Laufe der letzten zehn Jahre entstanden und an den prominentesten (Köln, Zürich, Berlin) und unmöglichsten (Innsbruck) Orten aufgeführt worden. „Vom Häkchen zum Haken“ widmet sich der Heimat größter „…“, wobei alfabetisch die Heimat der „A…“ die Prozession unmöglicher Helden anführt.

„Wir sind jung / die Welt ist offen“ besingt den Jugendwahn, dem die Autoren in fröhlicher Erschlaffung starke Reime bis hin zur Ausbildung von Wortstriemen entgegensetzen. In der Sequenz „Es ist um den Verstand zu verlieren“ wird im Akkord Kitsch gesammelt und ohne Zwischenlagerung sofort wieder verschleudert. „Der kleine Weg zum großen Glück“ beschäftigt sich mit dem Nachjustieren des Alltagskitsches. „Einsam gemeinsam“ besingt alles, wo zwei Teile aufeinander, auf Leben und Tod, angewiesen sind, sei es die erste und die zweite Spielzeit, Kosen und Schlecken, Waschen und Bügeln.
Viele Sätze sind aktueller als der aktuellste Dienst. „Wenn dem Kapitalisten fad ist, wird er bei der Gewerkschaft Kabarettist.“ (S. 10f.) So knapp läßt sich also die Auseinandersetzung eines austrokanadischen Millionärs mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund zeitlos gültig darstellen.

Das „Häkchenbuch“ kann unter anderem auch als Nachschlagewerk für Dialoge verwendet werden. Kontrapunkt, Wiederholung, Nachäffung, Themenentwicklung und Abschweifung, Verknappung und Vertröstung sind mustergültig dargestellt und didaktisch gut aufbereitet. Kein Wunder also, daß das Duettbuch leicht „ins Ohr geht“.

Werner Herbst, Gerhard Jaschke Vom Häkchen zum Haken
Literarische Duettduelle 1988-1998.
Wien: Edition Freibord, 1999.
279 S.; brosch.
ISBN 3-900483-48-5.

Rezension vom 15.09.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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