Bereits die ersten Gedichte „paradies“, „volkslied“ und „wellengeplänkel“ zeigen die Arbeitsweise der lyrischen Protokolle auf. Die Begriffe werden durchaus als Klischee zur Kenntnis genommen, aber dann in einer Form dekonstruiert, daß den guten Klischees Hören und Sehen vergeht.
Das „paradies“ entpuppt sich als „Huscher“ eines Bahnhofsvorstandes, der in Trance von überdrehten Augäpfeln und gespaltenen Felsbrocken berichtet und vermutlich zu tief ins Glas und anschließend in den Schotter eines stillgelegten Gleises geschaut haben dürfte.
Das „(volkslied)“, ohnehin durch Klammern bereits zurückgenommen, besingt seltsame Alpinzustände, in denen das Kuhläuten in den Bohnen hängt, der Hahn die Pfütze zerschnäbelt und der Berg als schräges Floß in der Landschaft hängt.
Ebenso berichtet „wellengeplänkel“ von Schiffen, die über den Bauch fahren, während sich das lyrische Ich in den Sand eingegraben hat. Die Atmung versetzt der Welt den letzten Schliff im Wellengang, ehe das geträumte Schiff ordnungsgemäß in einer grünen Scheune verschwindet.
Den Städten Amsterdam, Innsbruck und New York werden Kleinigkeiten als Stadtwappen umgehängt, wobei der Reiz dieser Gedichte auch in ihrer Anordnung besteht: Innsbruck zwischen Amsterdam und New York aufgefädelt, ist ja an sich bereits eine ungeheuerliche Botschaft!
Das Gedicht, das der Sammlung den Namen gegeben hat, entpuppt sich als digitale Konserve vergangener Gerüche, die an der entscheidenden Stelle aussetzen:
„zurückgekehrt // auf diskette / stücke von gerüchen / seife und“ (S. 31)
Die beiden letzten Gedichte „ben’s lied“ und „daktylen am see“ sprengen die bis dahin praktizierte Form, in dem sie sich einerseits über beide Seiten des Buches ausbreiten und sich andererseits zu runden Andeutungen von Wellenbewegungen oder Konturen verdichten. So verpuppt sich die Melodie eines La-la-la zu Kamelhöckern aus Buchstaben, die im semantischen Sand verschwinden.
Julia Rhombergs Gedichte sind sehr genau durchstrukturiert, obwohl sie mit der Form des Zufälligen, Gefundenen und Spontanen kokettieren. Das Eingangsmaterial für das lyrische Ich wird immer einer genauen Untersuchung unterworfen und, wenn möglich, mit einem Beobachtungsgesetz in Beziehung gesetzt. Dabei entstehen nicht nur überraschende, sondern zum Teil auch sehr witzige Erkenntnisse. Etwa wenn die Tagesration der Beobachtungen am Abend in Manier der Buchhaltung analysiert wird:
„ich laufe den nachmittag / hinunter / überhole einen / hund // bis zum abend / 80 hunde gezählt / 10 wege / die sich scheiden / 1 odysseus […]“ (S. 41)