Lange bevor wir uns das erste Mal persönlich begegnet sind, sah ich ihn auf einem Nacktfoto: 1973 versammelte Günther Nenning die Mitarbeiterschar seiner neuen Jugendzeitschrift „Neue Freie Presse“ hüllenlos um sich.
Es würde zu weit führen, was ich als Heranwachsender im Industrieort Lend im Salzburger Gebirge damals unternehmen musste, um diese weder im Pinz-, noch im Pongau erhältliche Zeitschrift letztlich doch wenigstens im Abonnement beziehen zu können. Ihr verdanke ich nicht nur die – auch bildliche – Erstbegegnung mit Manfred Chobot, sondern auch jene mit den Arbeiten des genialen Manfred Deix.
Aber schon ein Jahr davor, 1972, als ich selbst – als Schüler – gerade meinen ersten Text in der Zeitschrift „manuskripte“ veröffentlichte – erwarb ich den Band „Neue Autoren I“ der Edition Literaturproduzenten aus dem Verlag Jugend und Volk, der Texte von „Chobot, Kerschbaumer, Losch“ vorstellte in einer Reihe, von der ich 1971 bereits die „Null-Nummer“ erstanden hatte.
In diesem Literaturproduzenten-Bändchen veröffentlichte der Großstädter Manfred Chobot – neben Peter Henisch einer der wenigen gebürtigen Wiener unter der dort lebenden Autorenschaft – einen Text über das „wilde bergvolk“ der „zollweiler“. Damit trafen wir uns thematisch: Ich hatte als literaturbesessener Schüler 1972 auch das erste Mal einen Beitrag für die Sendung „musicbox“ auf Ö3 selbst eingelesen, nämlich meine „Retortensage“ über eine „Frau mit Schnurrbart“ die im Gebirge ihr Unwesen treibt.
Auch die „musicbox“ gehört zu unser beider Geschichte aus der Zeit, bevor wir einander persönlich kennengelernt haben!
Nun ist der ehemalige Leistungsschwimmer und Student der Kulturtechnik, dem ich die Aufklärung darüber verdanke, dass dieses Studium eines des Wasserbaus ist und nichts mit uns als Künstler zu tun hat, 70 Jahre alt geworden.
Der Löcker Verlag hat aus diesem Anlass zwei lesenswerte Chobot-Bände mit Lyrik und Prosa herausgebracht.
Beppo Beyerl, langjähriger Chobot-Weggefährte, hat auf über 230 Seiten eine Gedichtauswahl aus 15 Lyrikbänden besorgt (Nur Fliegen ist schöner).
Manfred Chobot hat von 1991 bis 2004 die einzige Lyrikreihe Österreichs herausgegeben und selbst eine Vielzahl von Gedichten veröffentlicht, die Beyerl für seine Auswahl in verschiedene thematische Bereiche gliedert – von Liebes-, über Sport- bis zu Reisegedichten – und jeweils mit hochsprachlichen und Dialektgedichten bestückt; mit bitteren, lustigen, sarkastischen oder auch melancholischen.
Im letzten Gedicht des Bandes spielt Chobot mit seinem Namen – das tschechische Wort heißt auf Deutsch „Rüssel“ und die zweite Bedeutung lautet „Meerbusen“.
Apropos Name: Bei einer Hörspieltagung des ORF vor Jahrzehnten in Vorarlberg waren Manfred und ich mit anderen Kolleginnen und Kollegen in einer Arbeitsgruppe tätig. Sehr schnell konnten wir uns alle darauf einigen, unseren Beitrag für dieses Symposion in Form eines Trappistenhörspiels zu liefern. Ich weiß nicht, ob Gerhard Ruiss da schon seine großartige Idee für ein Hörfunkballett entwickelt hatte – beide Werke passten jedenfalls bestens in eine Sendung! Als sich Manfred an einem Tag verspätete und wir auf sein Eintreffen warteten, hat sich unser Kollege Friedrich Hahn mit dem wunderbaren Einfall – Chobot natürlich französisch ausgesprochen – zu Wort gemeldet: „Warten auf Chobot“.
Da sich Manfred Chobot in seinem Berufsleben auf vielen Feldern bewegte – als fleißiger und neugieriger Leser rezensierte er viele Bücher, als Gestalter von Hörfunksendungen war er ebenso tätig wie natürlich als Vortragender aus seinen eigenen Werken – sei auch auf den schon 2014 erschienenen Band „Straßen des vergänglichen Ruhms“ hingewiesen, den Chobot und Beyerl bei Löcker herausgebracht haben und in dem sie sich in Kurzporträts den Namensgebern und -geberinnen für Wiener Straßen und Gassen ab etwa 1830 zuwenden und dabei dem verminten Gelände der NS-Zeit – Täter wie Opfer – nicht ausweichen. Lesenswert nicht nur für Wien-Besucher, sondern auch für Einheimische!
„Franz – eine Karriere“ betitelt sich der neue Band mit Erzählungen, für den Ulf Birbaumer ein ebenso sympathisches wie luzides Vorwort verfasst hat.
Manfred Chobot ist in diesen Geschichten als Alltagslebens- und –menschenforscher unterwegs. Dafür bereist er nicht nur verschiedenste Kontinente menschlicher Befindlichkeiten, sondern tatsächlich auch unterschiedliche Örtlichkeiten und Länder. Ob er kühl-eindrucksvoll von einer tragisch endenden Liebesgeschichte in Marbella erzählt oder von einem 40jährigen Maturatreffen, bei dem sich Gegenwart und erinnerte Vergangenheit – nicht immer zum Vorteil der Beschriebenen – mischen, die Palette dieser Erzählungen ist bunt. Und so führt ihn die Menschenforschung sogar über die eigene Spezies hinaus bis zu einem „HERR GOTT“, der sich auf die Couch von Sigmund Freud legt und für einen Dialog sorgt, von dem Ulf Bierbaumer zu Recht als einem „von Friedellschem Witz“ spricht.
Im Rückblick auf eine Handleserin, die dem Ich-Erzähler seine Zukunft prophezeit heißt es einmal: „Ich war damals noch nicht einmal dreißig Jahre alt und jemand mit 40 oder 45 erschien mir als designierter Greis.“ – Die Frau prophezeit ihm: „Du wirst sehr alt werden. … Mehrere Lebenslinien bedeuten besonders viel Kraft und Vitalität.“
Beides wünsche ich Manfred Chobot zum 70. Geburtstag auch weiterhin und freue mich, ihn vom Greis noch so weit entfernt wissen zu dürfen!